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Letztes Mal habe ich noch geschrieben: «Corona hat das Leben verändert». Heute schreibe ich: «Corona hat das Leben so verändert, dass wir es langsam zu vergessen beginnen». Wie schnell haben wir uns daran gewöhnt, unsere Familienmitglieder nur in homöopathischen Dosen zu treffen, unsere Freund*innen höchstens noch draussen – und das bei diesem strengen Winter. Wir strukturieren die mehr oder weniger einsamen Tage durch Routinen und bescheidene Lichtblicke, wie z.B. Kochen, Serien-Schauen oder eine Yoga-Stunde im Live-Stream. Routiniert berechnen wir die kommenden Monate: Impfstoffe, Jahreszeitenwechsel, und hoffen auf entspannte Sommermonate – und auch das ohne Euphorie. An ein Leben «ohne Corona» glaubt kein Mensch mehr, und auf das Leben «mit (wie viel) Corona» schauen wir mit gemischten Gefühlen. Am Deutschen Seminar starten wir nun ins dritte Online-Semester. Und ich muss sagen, dass ich genau an diesem Punkt den melancholischen Ton, den ich angeschlagen habe, ändern möchte: Im vergangenen Jahr haben Dozierende und Studierende das Rad «Uni» noch einmal erfunden. Während vor allem im vergangenen Frühjahrssemester die Umstellung auf Fernlehre eher ein Schock war, hat sich im Herbstsemester eine neue Qualität der Lehre, aber auch des Miteinanders entwickelt. In 25 Berufsjahren habe ich noch nie so viel Zeit, Mühe und vor allem Liebe in die Vorbereitung meiner Kurse investiert – und vielen geht es ähnlich. Die Distanz hat dabei ganz andere Formen der Nähe geschaffen. Dozierende und Studierende kommunizieren 24/7 auf allen Kanälen; die neuen Formate vom «Podcast», über das «Padlet» bis zur «Breakoutgroup» hat die Beziehungen untereinander intensiviert. In video-basierten Sprechstunden geht es nicht mehr nur um die anstehenden Hausarbeiten oder Prüfungen, sondern auch um die Unsicherheit wegen der «Grosi», den Ärger über die «Tinder-Dater» in der WG, den Frust über den Lockdown-Lockdwon im ehemaligen Kinderzimmer bei den Eltern, weil das Geld vorne und hinten nicht mehr reicht, die Sehnsucht, einmal wieder zu reisen, die Unsicherheit in Quarantäne, aber auch die Angst vor dem Virus, das einen dann doch und trotz allem plötzlich erwischt hat. Am heimischen Bildschirm begegnet man sich als Menschen, tröstet einander und spricht sich gegenseitig Mut zu. Diese Intensität spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Qualität der Studienleistungen im vergangenen Jahr. Noch selten habe ich so gute Hausarbeiten korrigiert wie diesen Winter. Wäre da nicht die Sorge um diejenigen, die im virtuellen Raum abgehängt worden sind, von denen man auf Zoom einfach kein Bild mehr sieht – unsichtbar und «gemutet». Sind sie noch da? Geht es ihnen gut? Finden sie Hilfe, um wieder aus tiefen Tälern und dunklen Ecken herauszukommen? Ich freue mich auf den Frühling, auf Licht und Wärme und darauf, dass wir uns bald einmal wiedersehen werden!
Frauke Berndt, Präsidentin GfdSL & Seminarvorsteherin DS
Am 5. November 2020 fanden sich rund 50 Mitglieder für das (erstmals virtuell stattfindende) linguistisch-literaturwissenschaftliche Podium der GfdSL zum Thema «Corona» zusammen. Zum Auftakt des Abends überreichte Frauke Berndt den GfdSL-Preis für exzellente Abschlussarbeiten an Luca Hofmann für seine Bachelorarbeit zur «2. Sg. Prät. im Westgermanischen.» In ihrer Laudatio gab Frauke Berndt eindrucksvolle Einblicke in die linguistische Studie. Mit seinem theoretisch und methodologisch ausgefeilten Vorschlag zur Rekonstruktion des Ursprungs der eigentümlichen westgermanischen 2. Sg. Prät. gelang Herrn Hofmann ein origineller Lösungsentwurf für eines der bisher grössten Rätsel der morphologischen Sprachgeschichte. Dass mit einer Bachelorarbeit ein derart gewichtiger Impuls für ein Forschungsgebiet gegeben werden konnte, war für die Jury letztendlich das ausschlaggebende Kriterium, um sich einhellig für die Auszeichnung von Hofmanns Arbeit zu entscheiden.
Im Anschluss wurde das Thema «Corona» in anregenden Impulsvorträgen aus den drei germanistischen Abteilungen des Deutschen Seminars zum Gegenstand. Prof. Dr. Noah Bubenhofer lud zu einem eindrücklichen Blick ins linguistische Sprachlabor ein und zeigte, wie sich Sinngebungsprozesse der Corona-Zäsur durch den Wandel von Sprachgebrauchsmustern in Online-Kommentarspalten nachzeichnen lassen. PD Dr. Christine Stridde zeigte in einem unterhaltsamen Impuls, dass es sich bei der Sorge um Superspreader-Events keinesfalls um eine Neuerscheinung unserer Zeit handelt und dass auch der erst kürzlich empirisch nachgewiesene Einfluss des Verzehrs von Geflügel und Schweinefleisch auf die Verbreitung von Krankheiten bereits im Mittelalter vermutet wurde. Prof. Dr. Frauke Berndt legte in ihrem originellen Impuls aus literaturwissenschaftlicher Perspektive dar, dass wir von Jeremias Gotthelfs Novelle «Die schwarze Spinne» vieles über unseren medialen Umgang mit der Pandemie lernen können. In der anschliessenden Podiumsdiskussion liessen die Referent*innen den Abend in einem anregenden Austausch mit dem Publikum zu Leben und Lesen in Zeiten von Corona ausklingen.
Die Ringvorlesung nimmt den hundertsten Geburtstag Friedrich Dürrenmatts zum Anlass, über die Anthropologie des bedeutendsten Schweizer Dramatikers des 20. Jahrhunderts nachzudenken. Ausgehend von seiner in den «Theaterproblemen» (1955) gefällten Diagnose, derzufolge uns in einem Zeitalter der kollektiven Schuld bzw. kollektiven Unschuld nur noch die ‹Komödie beikommt›, soll Dürrenmatts Schaffen als Versuch verstanden werden, den Menschen nach der Tragödie zu erforschen.
Datum: 18. März – 3. Juni 2021
Zeit: 18:15
Ort: online via Zoom
Im Herbst 2020 lancierte die transdisziplinäre Kulturbande in Zürich das Projekt «Hallo, Tod!». Die Bande lädt dazu ein, dem Unausweichlichen in kreativem Austausch mit anderen zu begegnen. Aus dem Projekt resultierten bereits zahlreiche Initiativen wie beispielsweise der Podcast Tod und Leben oder eine Sammelaktion mit Fragen an den Tod. Das Projekt findet Ende Mai 2021 in einem gleichnamigen Festival seinen Höhepunkt. In Räumlichkeiten von Kooperationspartnern sowie im öffentlichen, vielleicht auch im digitalen Raum erwarten die Besucher*innen künstlerische Aktionen, Gespräche, Konzerte und vieles mehr. Für die Mitglieder der GfdSL wird ein exklusives Kontingent an Tickets für eine ausgewählte Veranstaltung bereitgehalten. Sobald über die genaue Durchführungsform des Festivals entschieden worden ist, meldet sich der GfdSL-Vorstand mit weiteren Details.
Datum: 25. – 30. Mai 2021
Ort: wird bekanntgegeben
Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Hand in unserer Kulturgeschichte ein besonderer Platz zukommt, nicht zuletzt in der Literatur. Denn mit ihr wird geschrieben, und die meisten schriftlichen Erzeugnisse liessen sich ohne Rückgriff auf unser feinfühligstes Tastwerkzeug nicht lesen. Umso erstaunlicher ist es, dass sich Personen, die sich mit der Geschichte unseres tatkräftigsten Körperteils auseinandergesetzt haben, an einer Hand (vielleicht sogar an einem Finger) abzählen lassen. Einer von ihnen ist der Germanist Prof. Dr. Jochen Hörisch, den das Schweizerische Institut für Auslandforschung (SIAF) in Kooperation mit dem Literaturhaus Zürich im Juni zum Gespräch lädt. In seinem Buch Hände: Eine Kulturgeschichte hat er sich intensiv mit der Literatur- und Ideengeschichte der Hand auseinandergesetzt. Dabei behandelt er die unsichtbaren Hände der Marktregulation ebenso wie die Hand Gottes, auch wenn darin – je nach Epoche – fast kein Unterschied auszumachen ist.
Datum: 8. Juni 2021
Zeit: 19:00
Ort: wird bekanntgegeben
Seit 2016 werden in den Zurich Distinguished Lectures viel beachtete Intellektuelle eingeladen, die sich um die Neuere deutsche Literaturwissenschaft verdient gemacht haben und die mit ihrer Stimme die aktuellen Entwicklungen der Literaturwissenschaft weit über die Grenzen des eigenen Fachs und des deutschsprachigen Raums hinaus prägen. Dieses Jahr hält Helmut Müller-Sievers die Vorlesung zum Thema «Roman und reine Erfahrung: William James' radikaler Empirismus als Vollzug des Lesens». Dabei steht nicht der Pragmatismus, als dessen Mitbegründer William James vornehmlich bekannt ist, im Vordergrund, sondern die ihm ganz eigene Theorie des radikalen Empirismus und das ihn konstituierende Phänomen der «reinen Erfahrung». Im Vortrag wird der Einsatz des Radikalempirismus nachvollzogen und reine Erfahrung als eine fundamentale These über das Lesen interpretiert.
Datum: 26. Mai 2021
Zeit: 18:15–19:45
Ort: online via Zoom
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Im September 2021 wird das Projekt ‚Poetik des Überflusses. Ästhetik – Ökonomie – Literatur‘ unter der Leitung von Dr. Sebastian Meixner seine Arbeit aufnehmen. Gemeinsam mit einem Doktoratsprojekt werden in den kommenden vier Jahren die Interdependenzen von ästhetischer und ökonomischer Theorie in literarischen Texten vom 18. bis ins 21. Jahrhundert erforscht. Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Ambizione-Programms gefördert.
In Meixners Ansatz wird Überfluss, der in seiner Krisenvariante aktuell omnipräsent zu sein scheint, sowohl als ökonomisches wie auch als ästhetisches Problem angegangen: Es gibt zu viele Daten, um sie zu interpretieren; zu viel CO2, um es zu kompensieren; zu viel Geld, um es zu verzinsen – und zu viele Bücher, um sie zu lesen. Dabei entwickelt die Ästhetik aus den rhetorischen Verfahren der abundantia seit der Antike Theorien des Überflusses, die den Überfluss strukturell ambivalent begreifen. Das Projekt bringt diese Theorien des Überflusses zum ersten Mal mit ökonomischen Theorien in Verbindung. Ökonomische Theorien nämlich können nur begrenzt mit dem Überfluss umgehen, der nicht als Gewinn abgeschöpft oder als Investition in ihre Modelle reintegriert werden kann. Das dabei zugrundeliegende Korpus der literarischen Texte, in denen metaphorischer Überfluss oft auf den ganz literalen Überfluss zurückgeführt wird, reicht von Sophie von La Roche über Gottfried Keller bis hin zu Christian Kracht.
Sebastian Meixner wurde 2017 an der Eberhard Karls Universität Tübingen mit einer Arbeit zu «Narratologie und Epistemologie. Studien zu Goethes frühen Erzählungen» promoviert und forscht seit 2016 in Zürich. Im Februar wurde er mit dem Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis ausgezeichnet. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Narratologie, Rhetorik und der deutschen Literatur um 1800.
Dr. Clemens Özelt wurde am 04. März für sein Buch Literatur im Jahrhundert der Physik. Geschichte und Funktion interaktiver Gattungen (1900–1975) mit dem Gustav Figdor-Preis für Literaturwissenschaften ausgezeichnet. Özelts Studie zeigt, wie die Literatur die prägende Bedeutung der Physik für das 20. Jahrhundert erfasst und mitgestaltet hat und dabei ihrerseits von der Physik umgestaltet wurde. Die Physik wird also nicht einfach als Stofflieferant für literarische Texte (miss)verstanden, sondern das gestalterische Momentum der Poesie wird selbst als wichtige Ressource für die Möglichkeit der Erfassung und des Ausdrucks abstrakter physikalischer Konzepte ausgemacht. Der Fokus liegt auf funktionsgeschichtlich rekonstruierten Gattungsanalysen. Gattungen reagieren dabei als «Bedürfnissynthesen» auf gesellschaftliche Herausforderungen, machen auf sie aufmerksam und gestalten sie. Die fünf interaktiven Gattungen Roman, Dialog, Brief, Tagebuch und Tragödie werden als Formungen solcher gesellschaftlichen Bedürfnisse vorgestellt, die einerseits den engen Rahmen der Fachwissenschaft Physik, andererseits den Bereich der literarischen Imagination übersteigen. Sie machen erstmals dominante Linien dieser komplexen Austauschbeziehungen lesbar.
Clemens Özelt hat das Diplomstudium Deutsche Philologie, Philosophie und Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache an der Universität Wien 2010 abgeschlossen. Während seines Diplomstudiums war er Erasmus-Stipendiat an der ETH und Universität Zürich, an der er 2017 in Neuerer deutscher Literatur promovierte. Während des Doktoratsstudiums war Clemens Özelt Assistent am Deutschen Seminar und an der Section d' allemand der Universität Lausanne. Seit März 2020 ist er Seminar-Oberassistent am Deutschen Seminar. 2016 wurde er mit dem Theodor-Körner-Preis für Wissenschaft ausgezeichnet.
Die Digitalisierungs-Strategie der Universität Zürich wird an der Philosophischen Fakultät naturgemäss nicht unkritisch betrachtet. Zu gross scheint aus geisteswissenschaftlicher Perspektive die Gefahr einer Marginalisierung durch einen unreflektierten digitalen Vollzugspragmatismus. Dass digitale Komponenten auch auf kreative Weise für geisteswissenschaftliche Lehr- und Forschungsanliegen genutzt werden können, zeigen drei aktuelle Projekte aus dem Nachwuchs des Deutschen Seminars, die sich beim kompetitiven Lehrkredit der Universität Zürich durchsetzen konnten.
2018 warben Dr. Daniele Fuhrmann und Thomas Müller erfolgreich Mittel für das Multimedia-Projekt Siegfried goes YouTube! Alte Mären in neuen Medien ein. Die Idee des Projekts ist einfach und gleichsam bestechend: Anstatt die Multimedialität älterer Literatur nur auf theoretischer Ebene zu thematisieren, sollen die medialen Potentiale des Gegenstandes sowohl bei der Vermittlung als auch beim Leistungsnachweis fruchtbar ausgeschöpft werden. Das Projekt kam nach mehreren erfolgreichen Lehrveranstaltungen im Herbstsemester 2020 zum Abschluss. Die Lehr- und Lernvideos, die aus den Lehrveranstaltungen hervorgegangen sind, können auf der Projekt-Website eingesehen werden.
Seit 2019 wird Kyoko Sugisakis Projekt «Chatbot-Toolkit für problemorientiertes Lernen in der Linguistik» durch den Lehrkredit unterstützt. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Toolkits, das es Studierenden erlaubt, selbständig einen Dialogroboter zu gestalten. Im Zuge der Gestaltung des eigenen Chatbots werden den Studierenden – neben den dafür notwendigen Programmier-Skills – anwendungsorientiert Grundlagen der Text- und Gesprächslinguistik vermittelt. Im aktuellen Semester unterrichtet Kyoko Sugisaki zusammen mit Marcel Naef das Projekt-Seminar «Reden mit Computern: Experimentelle Gesprächslinguistik», um das Vorhaben in die Praxis umzusetzen. Neben der Entwicklung der eigenen Dialogsysteme kommt es dabei auch zum Austausch mit professionellen Chatbot-Entwickler*innen. Weitere Infos finden sich auf der Website des Projektes.
2020 warb Daniel Knuchel beim Lehrkredit erfolgreich Mittel für sein Projekt Korpuslinguistisches Denken und Programmieren im Kontext der Germanistik: eine Lernplattform ein. Im Projekt wird eine Plattform entwickelt, die interaktiv, kollaborativ und kontextbezogen in die Korpusaufbereitung und Korpusanalyse mit der Scriptsprache Python einführt. Dies vor dem Hintergrund, dass die Korpuslinguistik als methodologisch-theoretisches Paradigma für eine empirisch ausgerichtete Sprachwissenschaft zwar an Bedeutung gewonnen hat, aber dass aus Mangel an digitalen Kompetenzen in der Regel nur einfache Analysen mit bestehenden Tools und Ressourcen gemacht werden. Das Projekt schliesst eine Lücke, da bestehende Einführungen vorwiegend in die Benutzung von Tools einführen, aber nicht in deren spezifische Logik, wozu Programmierkenntnisse zentral wären. Zugleich gibt es wenig bis keine Angebote, die vor dem Hintergrund philologischer Interessen in die Programmiersprache Python einführen.
Ann-Marie Moser hat den Ruf auf eine Juniorprofessur vom 1. April 2021 bis zum 30. September 2021 (Vertretung von Melitta Gillmann) an der Universität Hamburg angenommen.
Sophie Witt wird auf den 01. Februar 2021 von der Universitätsleitung zur SNF-Prima-Professorin ernannt.
Sarah Brommer hat den Ruf auf eine Tenure Track-Professur für Angewandte Linguistik mit Schwerpunkt Textproduktionsforschung an der Universität Bremen per 01. April 2021 angenommen.
Stefan Höfler wurde zum 1. Juni 2021 zum Leiter des deutschen Sprachdienstes der Bundeskanzlei und zum Leiter der Redaktionskommission der Bundesverwaltung ernannt.
Die Erweiterte Universitätsleitung hat am 6. Januar 2021 Georges Felten zum Privatdozenten für Neuere deutsche sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft ernannt.
Noah Bubenhofer wurde zum Mitherausgeber der Zeitschrift für germanistische Linguistik (ZGL) ernannt.
Die GfdSL hat eine Interviewreihe in einem ebenso anspruchsvollen wie kurzen und unterhaltsamen «Fernsehvideoformat» ins Leben gerufen, in der ausgewählte Nachwuchswissenschaftler*innen des Deutschen Seminars ihre Forschungsprojekte vorstellen. Sie läuft ab jetzt im neuen Youtube-Kanal des DS. Schalten Sie doch mal ein!
Nach den vielen positiven Rückmeldungen auf die neue Rubrik Lektüretipps im Herbstnewsletter offerieren wir Ihnen im Folgenden gerne wieder drei Buchempfehlungen aus den drei germanistischen Fachbereichen des Deutschen Seminars (und einen kleinen Hinweis zur neuesten Ausgabe des Gemranistikmagazins «Denkbilder»). Die vorgeschlagenen Titel sind explizit an ein breites Publikum gerichtet und sollten auch Leser*innen ausserhalb der spezifischen Fachbereiche vergnügliche Lektürestunden bescheren.
In seiner großen Geschichte der Gotteslästerung von der Antike bis heute zeigt der Historiker Gerd Schwerhoff, wie sehr Blasphemie die Menschen seit jeher bewegt. Die weltweite Empörung über die Mohammed-Karikaturen und der Terroranschlag auf «Charlie Hebdo» 2015 haben deutlich gemacht: Gotteslästerung ist kein Relikt der Inquisition, sie ist heute aktueller als vor hundert Jahren. Wer herabsetzt, was für andere heilig ist, muss mit heftigen Reaktionen rechnen. Und wer sich gegen blasphemische «Hassreden» wehrt, kann viele Anhänger mobilisieren.
Gerd Schwerhoff erklärt, warum Menschen seit mehr als 2000 Jahren Gott, Propheten oder Heilige beleidigen. Und warum diese Worte und Taten die Gemüter so sehr erregen. Fast immer werden die «da oben» von denen «unten» geschmäht. Es geht um Ohnmacht und Wut, gegen die Herrschenden, gegen einen scheinbar gleichgültigen Gott oder gegen andere Religionen. Und so sieht man auch die jüngsten Blasphemie-Fälle mit anderen Augen: Die Grenze zwischen Spott und Beleidigung ist fließend, die Schmähung ist immer Teil eines größeren Konflikts - und sie kann in extreme Gewalt münden. (Verlagstext)
Kinder sind immer die Verlierer – das gilt im historischen Rückblick ebenso wie in der Gegenwart, wo in der Corona-Pandemie nicht nur Gesundheit, sondern auch Bildung und Fürsorge auf dem Spiel steht. Da kommt die Monographie von Davide Giuriato gerade recht. Er knüpft an Philipp Ariès’ «Entdeckung der Kindheit». In der bürgerlichen Kultur und Literatur der aufgeklärten Moderne gilt die Kindheit als ein arkanes Reich, das den Erwachsenen kaum zugänglich ist. So entsteht ein Imaginations- und Projektionsraum, in dem sehr unterschiedliche ideologische Zuschreibungen an «das Kind» adressiert werden. Kinder werden zu rätselhaften Geschöpfen mit fremden Wesen, die einerseits die bürgerlichen Werte und Normen erheblich verunsichern. Andererseits sind Kinder aber auch fortwährenden Territorialisierungen ausgesetzt. Davide Giuriato führt vor, dass der Raum der Kindheit leer und in höchstem Masse unbestimmt ist, so dass er eine Zone der »Grenzenlosen Bestimmbarkeit« (Friedrich Schiller) bildet, wie er vor allem in der Literatur beobachtet werden kann.
Es ist eine philologische und verlegerische Sensation: Das Glossarium Teutonicum des Johann Jacob Spreng (1699-1768) wäre das größte deutsche Wörterbuch seiner Zeit gewesen, wurde aber nie veröffentlicht. Nach der Wiederentdeckung des Sprachschatzes durch Heinrich Löffler wird jetzt, gut 250 Jahre später, endlich eine Auswahl aus dieser Schatzkammer des deutschen Sprachguts einer breiteren Sprachöffentlichkeit zugänglich gemacht. Im «Spreng» findet sich eine Unzahl höchstungewöhnlicher und heute nicht mehr gebräuchlicher Wörter, die aber oft sehr einleuchtend, sinnfällig und nicht selten von irisierender Schönheit sind. Nicolas Fink ist in die Tiefen der Basler Archive getaucht und hat aus zigtausenden Einträgen die sinnfälligsten, schönsten und neubelebenswertesten Wörter (nebst Spreng'schen Erläuterungen) herausgesucht, transkribiert und zusammengestellt. Die Erstveröffentlichung stellt zwar nur die Essenz des nie veröffentlichten Vielbänders vor, ist aber auch so eine erhebliche Bereicherung, vielleicht gar eine Frischzellekur für die deutsche Sprache. (Verlagstext)
Wer auch in Zeiten reduzierter Kontakte mal wieder in direkten Kontakt mit einer Ausgabe der «Denkbilder» kommen möchte, kann sich unter folgendem Link das neueste Heft zum Thema «Teile» per Post zukommen lassen.
Seit Dezember wird der GfdSL-Vorstand von PD Dr. Christine Stridde (ad interim) verstärkt.