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«Mit der Natur und dem Leben in seiner Vielgestaltigkeit, Gleichzeitigkeit und Widersprüchlichkeit kann die Kunst natürlich nie mithalten, doch dafür hält sie den ‹deformierten› Stoff mit einer künstlichen Stimme zusammen, die deshalb natürlich klingt, weil sie einen Widerhall, wenn nicht sogar eine Antwort sucht, wenn sie sich uns im Sprechen anvertraut [...].»«Dies [...] rückt die künstlerische Schöpfung der göttlichen Weltschöpfung erstaunlich nahe, denn auch sie holt ihre Energie aus der Unvollkommenheit, der Inkohärenz, den Dissonanzen und den schmerzlichen Widersprüchlichkeiten [...].»«Vor dem Schreiben hatte ich schon zu malen begonnen, noch während des Studiums [...]. Mir war es wohl erst durch das Bild möglich, zum Wort vorzudringen, da ich aus einem [...] Milieu stamme, in dem nur Wörter und Sätze Existenz bezeugen, natürlich auch die ungesagten [...].»
Barbara Honigmann begann ihre Vorlesungen mit Überlegungen zum autobiographischen Schreiben von Montaigne, Stendhal und Etty Hillesum. Anschliessend sprach sie über die Nähe von religiöser und künstlerischer Schöpfung und kam am letzten Abend auf ein Buch (eine Biographie der Anna O./Berta Pappenheim) zu sprechen, das sie gerne schreiben würde und doch nie schreiben wird.
Barbara Honigmann (* 1949) wuchs in Ostberlin auf und lebt heute als Malerin und Autorin in Strassburg. Zu einer auf diese Schlagworte reduzierten Biographie, meinte sie in ihren Zürcher Vorlesungen: «Ja, ich bin Jüdin, Deutsche, komme aus der DDR [...]. Ob ich orthodox bin, bezweifle ich. Jedenfalls nicht, wie Sie sich das vorstellen.» Ihre Romane (u.a. Roman von einem Kinde 1986; Eine Liebe aus nichts 1991 oder Ein Kapitel aus meinem Leben 2004) erzählen dementsprechend vielschichtig von der Ausreise aus der DDR und der Befragung der eigenen Religiosität. Honigmanns Zürcher Poetikvorlesungen sind im Band Das Gesicht wiederfinden (2006) veröffentlicht.