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Organisation: Prof. Dr. Daniel Müller Nielaba, Deutsches Seminar, und Gesa Schneider, Literaturhaus Zürich.
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Ein Mensch kommt zur Welt, lebt, und ist eines Tages plötzlich dahingegangen.
Wer war er eigentlich? Fragt man. Und versucht sich zu erinnern.
Aber er ist nicht da. Er ist weg.
– Claus Beck-Nielsen (1963 - 2001)
Die Figuren in Madame Nielsens Geschichten sind im Verschwinden begriffen. Doch sie verschwinden nie komplett von der Bühne. Meist verharren sie irgendwo zwischen Bühne und Zuschauerraum, da wo das Scheinwerferlicht ins Dunkel übergeht. Im Dämmer dieses Übergangs hat sich Madame Nielsen wie keine andere Autorin eingenistet, allein: es ist weniger ein Ort als ein Durchgang, in dem Fiktion und Wirklichkeit verschmelzen.
Madame Nielsen ist vielleicht eine der eigenwilligsten Figuren der gegenwärtigen Literaturszene. Geboren als Claus Beck-Nielsen 1963 in Aalborg, Dänemark, inszenierte er 2003 seinen Tod als Schriftsteller, wechselte seinen Namen zu Helge Bille Nielsen und wirkt seit 2014, nach einer fast zweijährigen namenlosen Zeit, als Madame Nielsen. Das Spiel mit Identitäten und (Geschlechter-)Rollen ist Nielsen nicht nur Thema ihres künstlerischen Schaffens – sei es im Theater, in der Literatur, in der Musik oder Performance –, sie lebt es auch. Als lebende Figur verwandelt Madame Nielsen die Räume, die sie betritt: Die Welt wird zur Bühne und die Realität entpuppt sich als Spiel.
Wo in ihrem Erzählen das Verschwinden hinter einer Rolle die Theatralität des Alltags vorführt, ist der Schritt ab der Bühne politisch motiviert: Wer sich der Logik des Theaters entzieht, wehrt sich gegen das enge Korsett einer fremdbestimmten Identität, befreit sich von der immer gleichen Aufführung sozialer und geschlechtlicher Rollen und leistet so im weitesten Sinn Widerstand gegen politische Zwänge und körperliche Zuschreibungen.
Doch das Verschwinden hat bei Madame Nielsen auch eine ganz existenzielle Komponente: Mit dem Verschwinden verbunden ist eine Angst und Sehnsucht zugleich, die den Anlass ihres Schreibens bildet. Hinter ihm verbirgt sich der Wunsch, diesem letzten, unwiederbringlichen Abgang mit und als Zeichen etwas entgegenzusetzen.
Für ihre künstlerische Arbeit, zu der neben Prosa auch Theaterstücke, Lieder und Performances zählen, wurde Nielsen in Dänemark und Deutschland vielfach mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet: 1998 mit dem Preis der Frankfurter Autorenstiftung, 2003 mit dem Reumert-Preis als Bester Dramatiker, 2005 mit dem dänischen Literaturpreis Kjeld-Abell, wiederholt mit einem Arbeitsstipendium des Statens Kunstfonds; ausserdem wurde sie mehrfach für den Literaturpreis des Nordischen Rates nominiert.
Poetikvorlesungen:
17., 26. und 30. November 2020, von 20 – 22 Uhr, im Literaturhaus Zürich
Werkstattgespräche:
18., 27. November und 1. Dezember 2020, von 10.15 – 12 Uhr, an der Universität Zürich
Die Poetikvorlesungen und Werkstattgespräche finden präsentisch statt, das Begleitseminar ohne Madame Nielsen wird digital abgehalten.
Madame Nielsen: "Der endlose Sommer" - Druckfrisch. Denis Scheck trifft Madame Nielsen. ARD, 26.03.2018
Link zur ARD Mediathek