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«Die Dichtung handelt nicht vom Raum. Ihr Gegenstand ist die Zeit[...]. Wir beherrschen den Raum, aber wir werden von der Zeit beherrscht. Diese Kontinuität der Erfahrung ist der Grund für die literarische Tradition, sie ist es, die uns jeden dichterischen Text verstehen lässt [...]. Wir müssten einen Weg finden, um unser Verschwinden festzuhalten, die Angst davor, keine Spur zu hinterlassen, letztlich sterblich zu sein. Und damit würden wir, natürlich, ebenjene Spur legen, die unsere Nachgeborenen aufnehmen könnten[...]. Darin findet die Kunst ihre Aufgabe, gerade die Literatur. Vielleicht liegt darin auch ihre Moral. Sie weiss, dass wir eine Geschichte haben und in einer Geschichte sind, jeder von uns, jedes Leben, jeder Gedanke, jedes Wort und jede Sache durch die Zeit geht. Und dass andere kommen werden, mit anderem Wissen und eigenen Erfahrungen.»
Im Literaturhaus sprach Lukas Bärfuss über die grundlegende menschliche Erfahrung der Zeit ausgeliefert zu sein und die Literatur, die im besten Fall als Spur von dieser Erfahrung und der Angst des Verschwindens zeugen kann. Die Literatur ist das, was bleibt – über die Zeit hinweg und uns mit denen, die vor uns waren und denen, die nach uns kommen werden, verbindet. In diesem Sinne versteht sich der Autor als Phänomenologe, als einer, der die Erscheinungen der Wirklichkeit und die Ideologien untersucht, die den Menschen hilft die Wirklichkeit zu verstehen und ertragbar zu machen.
Lukas Bärfuss, 1971 in Thun geboren, verzeichnete mit Theaterstücken für die von ihm mitbegründete Künstlergruppe asa400 erste Erfolge. 2002 debütierte er mit der Novelle Die toten Männer. Inzwischen sind zahlreiche Theaterstücke (u.a. Die sexuellen Neurosen unserer Eltern, 2003), Prosatexte (u.a. Hundert Tage, 2008) und Hörspiele von ihm erschienen. 2013 wurde er mit dem Berliner Literaturpreis ausgezeichnet. Bärfuss lebt in Zürich.