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Liebe Alumnae und Alumni, liebe Kolleg:innen
Die Sache mit der Germanistik, ob und wozu wir sie brauchen – herrje, kein Thema könnte mich mehr langweilen. Ich hatte schon im Februar erwogen, einmal wieder dazu zu schreiben. Aber ist es nicht so: Wer auf so einen Unfug überhaupt reagiert, spielt schon mit und macht sich beim Mitspielen schuldig an der Unterhaltung des Diskurses, der keine Realität abbildet, sondern Realität schafft: Medienrealität nämlich.
2017 dachte ich noch, dass es wirklich etwas zum Thema zu sagen gibt. Presse ist nicht so meins, aber für die NZZ dann doch einmal:«Germanistik schafft Zukunft». Doch es geht nicht um die Sache und ist auch nie um die Sache gegangen. Das Abstrafen, ja Beschämen von Geisteswissenschaften sowie derjenigen Personen, die in diesem Bereich forschen, lehren und vor allem studieren, steht auf der politischen Agenda von Personen, die handfestes Interesse daran haben, den traditionell reflektierenden und dabei nicht selten kritischen Institutionen unserer Gesellschaft zu schaden. Damit spielt die Abwertung der Geisteswissenschaften solchen Gruppen in die Hände, die dieses Interesse haben.
Als Mutter einer Naturwissenschaftlerin bin ich so erleichtert wie vielleicht manche von Ihnen: Endlich studieren junge Menschen MINT-Fächer, vor allem junge Frauen! Endlich also machen diese Fächer gegenüber den Geistes- und Sozialwissenschaften etwas an Boden gut! Super! Denn wir brauchen Grundlagenforschung in diesem Bereich! Dass die Studierendenzahlen der MINT-Fächer so problematisch niedrig sind, hat aber eben genau mit der Haltung zu tun, die sich in der Medienrealität Bahn bricht. Denn im Gegensatz zu den Inhalten der Geisteswissenschaften sind nicht wenige Aspekte der MINT-Fächer in der angewandten, d.h. berufs- und damit auch wirtschaftsbezogenen und interessengeleiteten Variante zu haben. Die Aufwertung der Grundlagenforschung an einer Universität, die sich nun in steigenden Studierendenzahlen spiegelt, ist also ein gutes, hoffnungsvolles Zeichen – jedenfalls für diejenigen, die eine solche unabhängige Forschung für eine der grossen Errungenschaften der Moderne halten.
An der Universität Zürich stellt die Philosophische Fakultät mit seit Jahren stabilen ca. 9‘000 Studierenden der vielfältigen Geistes- und Sozialwissenschaften allein ungefähr ein Drittel der ca. 28'000 Studierenden. Am Deutschen Seminar studieren per 31. Juli 2024 880 Personen spannende Studienprogramme auf Bachelor-, Master- und Doktoratsebene – und zwar im Haupt- wie auch im Nebenfach. Diese Personen streben eine Vielzahl von Berufen an, nicht zuletzt werden sie Lehrpersonen an unseren Kantonsschulen für das Fach Deutsch und garantieren damit das Fundament der Gesellschaft.
Soweit zur Statistik – und nun zum Inhalt: Am Deutschen Seminar findet historische, theoretische und empirische Grundlagenforschung zu deutschen, skandinavischen und anderen germanischen Sprachen, Literaturen und Kulturen statt. Dafür akquirieren wir Fördergelder in Millionenhöhe und schaffen Stellen; ungefähr die Hälfte aller Stellen für Doktorierende und Postdoktorierende wird so finanziert und nicht etwa aus kantonalen Mitteln. Unter dem Motto «Diversität in der Einheit» forschen am Deutschen Seminar der Universität Zürich in einer Reihe solcher drittmittelgeförderten Einzel- und Verbundforschungsprojekte die Wissenschaftler:innen der vier Abteilungen: Ältere deutsche Literaturwissenschaft, Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Linguistik und Skandinavistik. In historischer, theoretischer und methodischer Breite sind diese Projekte systematisch eng untereinander verbunden und vielfach aufeinander bezogen. Mit diesem einmaligen Netzwerk gibt die Zürcher Germanistik der aktuellsten internationalen Forschung in den Bereichen der deutschen und skandinavischen Sprach- und Literaturwissenschaften wichtige neue Impulse.
Und warum? Warum gehört ein Seminar für Germanistik und Skandinavistik in das notwendige Spektrum einer Volluniversität. Weil wir hier unseren Beitrag dazu leisten, die uns umgebende Welt zu verstehen, nicht nur in ihr funktionieren. Denn nur wenn wir die Welt verstehen, können wir sie ändern.
Frauke Berndt – Chapter-Präsidentin & Seminarvorsteherin
Zum zweiten Mal fand im April die Feier für Bachelor- und Masterabsolvent:innen (FS23 und HS23) statt. Rund 160 Personen fanden sich zusammen, um die grossartigen Leistungen der Studierenden zu würdigen. Es wurde viel gelacht, auch während der Präsentation aller Titel der Abschlussarbeiten durch die Studienprogrammdirektorin Sabine Schneider, und applaudiert. Zwei Grussworte ergänzten den von Musik gerahmten feierlichen Anlass: Andrej Millius, Bachelorabsolvent, liess uns an seinen Gedanken zum Studium im Poetry Slam-Modus teilhaben und Anja Nora Schulthess, Absolventin, erzählte von Höhen und Tiefen des Studiums.
Im Anschluss fanden Absolvent:innen, Eltern, Freund:innen und Betreuende sich zum Apéro mit Häppchen im Begegnungsraum und dem zur «Bar» umgeräumten Unterrichtsraum SOD 105 zusammen. Ein schönes Fest, auch Dank der grosszügigen Unterstützung des Chapters!
Nicht nur in der Schweiz hat «Heidi» einen hohen Stellenwert: 2023 wurde das Johanna Spyri-Archiv des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) in das Weltregister «Memory of the World» der UNESCO aufgenommen. Für uns war dies ein willkommener Anlass, das Archiv am 18.04.2024 einmal selbst zu erkunden.
In den Räumen des Instituts in der Zürcher Georgengasse gab uns die Archivleiterin Dr. Maria Becker eine kundige Führung durch die Sammlung, die einmalige Einblicke in Leben, Werk und Wirkung der 1827 geborenen Schriftstellerin Johanna Spyri bietet. Neben dem in der Zentralbibliothek aufbewahrten Schrift- und Korrespondenznachlass der Autorin besitzt das Archiv beispielsweise auch zahlreiche persönliche Fotos und Gebrauchsgegenstände Johanna Spyris. Von besonderem Interesse ist eine (nahezu) vollständige Sammlung von Erst- und Frühausgaben der abseits von «Heidi» oft kaum bekannten Werke der enorm produktiven Autorin. Gemeinsam mit circa 600 «Heidi»-Übersetzungen in mehr als 40 Sprachen, in denen wir bei unserem Besuch blättern konnten, sowie einer umfangreichen Sammlung an anderweitigen Rezeptionszeugnissen illustrieren diese Bände einerseits Spyris enormen und nicht allein zeitgenössischen Publikumserfolg. Andererseits zeichnen sie auch ein Bild der sich wandelnden literarischen Landschaft im Bereich des Kinder- und Jugendbuchs, in der Spyris Werke immer wieder neu perspektiviert wurden.
Nach ausgiebigem Stöbern in den Schätzen des Spyri-Archivs gab ein anschliessender Umtrunk den anwesenden Chaptermitgliedern die Gelegenheit, über die vielen kleinen Entdeckungen ins Gespräch zu kommen.
Der diesjährige Spaziergang mit Matthias Friedli führte die Gruppe von einem Dutzend Teilnehmenden von Brugg hinauf zum Bözberg. Zuerst war der Himmel wolkenverhangen, dann kam doch noch die Sonne durch. Zurück in Brugg führte Dieter Studer in den heterogenen Dialektraum des Kantons Aargau ein. Schön wars!
130 Jahre GfdSL: ein stolzes Alter! Wenn in den Jahrzehnten des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts die Lehrerausbildung im Vordergrund stand und die heutigen Disziplinen erst im Entstehen begriffen waren, so blicken wir heute auf «unser» Deutsches Seminar als fachwissenschaftlich breit aufgestelltes Forschungs- und Bildungsinstitut von internationalem Renommee mit aktuell über 300 Abschlüssen pro Jahr und an die 900 Studierende.
Einige unter Ihnen, unseren Alumnae und Alumni, haben hier vielleicht noch das «Liz» absolviert, die Boomzeiten der 70er Jahre miterlebt, als in wenigen Jahren die Zahl der Professoren von vier auf zehn erhöht wurde. Die GfdSL hat einige Umbrüche im Laufe ihrer langen Geschichte erlebt. Die unsicheren Nachkriegszeiten in den 20ern, die inzwischen aufgearbeiteten Auswirkungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs auf die Philologien in der Schweiz, die gesellschaftlichen Umwälzungen der sechziger Jahre, die im Deutschen Seminar in der Mitte der 70er ankamen.
Heute ist das Deutsche Seminar eine blühende Ausbildungsstätte für Bachelor- und Masterstudierende sowie Doktorierende – es wurde im Editorial schon erwähnt – in den Fachbereichen Neuere deutsche Literatur, Ältere deutsche Literatur, Linguistik, Skandinavistik und Vergleichende germanische Sprachwissenschaft. Es werden über 100 Lehrveranstaltungen pro Semester angeboten, an 15 Lehrstühlen und rund 15 Forschungsprojekten sowie vier Editionen sind rund 100 Personen wissenschaftlich tätig.
Mit dem Herbstpodium wird das Thema «Umbrüche» fachwissenschaftlich aufgenommen: Es werden Björn Buschbeck, Seminar-Oberassistent der Mediävistik, Anatol Heller, Oberassistent in der Neueren deutschen Literatur, und Hiloko Kato, Linguistin und Head of Research im neuen MEEET Lab der DSI und der UB UZH, Glanzlichter aus der gegenwärtigen Perspektive setzen. Das Podium wird von der Präsidentin des Chapters, Frauke Berndt, moderiert.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache und Literatur wurde im Mai vor drei Jahren in ein Chapter umgewandelt. Wir sind somit nun Teil der «UZH Alumni-Familie», unsere Mitglieder profitieren so vom Angebot der anderen Chapter. Mit rund 300 Mitgliedern sind wir nach demjenigen des Historischen Seminars das grösste Chapter der Philosophischen Fakultät.
Das Einladen von Gästen hat für die GfdSL eine lange Tradition. Wir freuen uns sehr, zum 130-jährigen Jubiläum der GfdSL und gleichzeitig als Rahmung des Herbstpodiums den Schriftsteller und Spoken-Word-Artisten Pedro Lenz begrüssen zu dürfen.
Bevor wir Pedro Lenz kennenlernen, wird der diesjährige Preis für exzellente Abschlussarbeiten verliehen werden. Seien wir gespannt!
Wir freuen uns mit Ihnen auf einen reichen Abend!
«Umbrüche». 130 Jahre Gesellschaft für deutsche Sprache und Literatur
Datum: 31. Oktober 2024
Zeit: 19.00 Uhr
Ort: Rämistrasse 59, 8001 Zürich, Aula RAA (2. Stock)
Im Anschluss an das Jubiläum lädt das Chapter zu einem Apéro ein. Aus organisatorischen Gründen bitten wir um eine Anmeldung bis zum 24. Oktober 2024.
Bildnachweis: Pedro Lenz, Patricia von Ah
Am Dienstag, den 5. November 2024 findet von 18.15 bis 20.00 Uhr in der Aula Rämistrasse 59 (RAA-G-01) wieder die grosse Ehrenvorlesung des Deutschen Seminars statt. Es spricht die vergleichende Literaturwissenschaftlerin Dorothea E. von Mücke von der Columbia University.
Die Vorlesung widmet sich der Frage, wie und ob sich Individuen als Menschen erkennen können, ohne dabei koloniale oder hegemoniale Universalität vorauszusetzen: In düsteren Zeiten wird immer wieder «Menschlichkeit» als eine allgemein erkennbare und gültige Einstellung und Verhaltensweise beschworen. Doch woran könnte man diese in Anbetracht der individuellen, historischen und kulturellen Vielfalt der Menschen erkennen? Und wie liesse sich der Aufweis einer Fähigkeit zur Menschlichkeit im Widerstand gegen deren Unterdrückung einsetzen? Walter Benjamin wandte sich mit diesen Fragen dem Privatbrief zu, indem er deutschsprachige Briefe des gebildeten Bürgertums aus dem neunzehnten Jahrhundert kommentierte und veröffentlichte. Dabei steht Walter Benjamin in seiner Einschätzung des Widerstandspotentials dieser Form nicht allein. So findet sich auch schon in den Romanen Theodor Fontanes der Einsatz des Privatbriefs als ein Dokument zum Aufweis von Menschlichkeit.
Zurich Distinguished Lecture 2024 mit Prof. Dr. Dorothea E. von Mücke
Datum: 5. November 2024
Zeit: 18.15–20.00 Uhr
Ort: Rämistrasse 59, 8001 Zürich, Aula RAA (2. Stock)
Im Anschluss an die Lecture wird zu einem kleinen Apéro eingeladen.
Die diesjährige Poetikvorlesung wird von Monika Rinck bespielt. Sie spricht an drei Abenden zum Thema «Raumfragen». Die Vorlesungen erkunden die poetischen Räume, die das Gedicht umgeben, die es selbst produziert, und die Leerstelle, die es hinterlässt, wenn es endet. Sie befragen die digitalen Räume in Zeiten automatisierter Textproduktion, die Oberflächen des algorithmischen Verfahrens und die – fehlende? – Tiefe des digitalen Textes. Sie nähern sich den städtischen Räumen, in denen, abseits aller Naturlyrik, literarische Texte heutzutage entstehen, und fragen nach dem urbanen Stimmengewirr, den sozialen Konflikten und kulturellen Gemengelagen, aus denen Gedichte hervorgehen.
Raumfragen – Poetikvorlesungen von Monika Rinck
Daten: 7., 14. und 21. November 2024
Zeit: 20.00–22.00 Uhr
Ort: Literaturhaus Zürich, Limmatquai 62, 8001 Zürich
Den Mitgliedern steht pro Abend ein Kontingent von 5 Tickets gratis zur Verfügung. Anmeldung bitte via Mail an gfdsl@ds.uzh.ch.
Alexander Braunegg studierte Komparatistik an der Universität Wien und Critical Theory an der University of Edinburgh. Er forscht am German Department der New York University zur Literaturpolitik der sogenannten ‹Neuen Rechten›.
Seine Dissertation geht aus diskursanalytischer Perspektive der Frage nach, wie die Neue Rechte Literatur und Literaturkritik nutzt, um rechtsextreme Haltungen gesellschaftlich zu normalisieren. Im Fokus steht dabei die neurechte Bezugnahme auf – und Instrumentalisierung von – Texten Ernst Jüngers, Botho Strauß' und Uwe Tellkamps. Im Herbstsemester 2024 unterrichtet Alexander in Zürich ein Bachelor-Seminar zum Thema «Haltung in der Literatur (1930–2020)». Das Seminar untersucht, wie Literatur in Zeiten politischer Krisen inhaltlich und formal Haltung einnehmen kann.
Zwischen April 2023 und September 2024 arbeitet Oliver Grütter als Associate Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Kyushu University in Fukuoka, Japan, wo er in Forschung und Lehre die Literatur des 18. Jahrhunderts vertritt.
Ausserhalb des deutschsprachigen Raumes gehört die japanische Germanistik zu den profiliertesten Fachdisziplinen ihrer Art und pflegt einen intensiven Austausch mit internationalen Kolleg:innen und Autor:innen der Gegenwart.
Während seiner Zeit in Japan hat Oliver Grütter sein Habilitationsprojekt mit dem Arbeitstitel «Grenzenlose Vorwelt. Hölderlins Stellung im Klassizismus um 1800» vorbereitet – ein Projekt, das er ab Februar 2025 im Rahmen eines zweijährigen Postdoc.Mobility Stipendiums des SNF an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und an der Brown University (Providence, RI) weiterverfolgen wird. Wir gratulieren herzlich!
Im Rahmen eines jährlich von der Graduiertenschule der Philosophischen Fakultät vergebenen Stipendiums hat Urs Giezendanner diesen Sommer die renommierte School of Criticism and Theory (SCT) der Cornell University besucht. Ursprünglich als Forschungseinrichtung für Literaturtheorie gegründet, versteht sich die SCT mittlerweile als interdisziplinäre Institution, die Vordenker:innen und Nachwuchswissenschaftler:innen aus unterschiedlichsten Feldern zur gemeinsamen Arbeit an den übergreifenden Fragestellungen der humanities versammelt.
In einem intensiven, von Vorlesungen über climate fiction bis zu Kolloquien zur postkolonialen Anthropologie und creative writing-Workshops reichenden Studienprogramm konnte Urs Giezendanner seinen kultur- und sozialtheoretischen Horizont umfassend erweitern.
Der Erfolg unserer Nachwuchswissenschaftlerinnen ist auch in diesem Jahr überwältigend. In der letzten Ausschreibungsrunde des so überaus wertvollen Förderprogramms Doc.CH, von dem insbesondere geisteswissenschaftliche Promovierende profitiert haben, hat Alexandra Lüthi ein Stipendium erhalten. Sie wird über ein sehr relevantes Thema promovieren: «Schweiz erschreiben. Kulturelles Gedächtnis in der Deutschschweizer Gegenwartsliteratur».
Und wie es bei exzellenten Wissenschaftlerinnen nun einmal so ist: Sie hat sich statt für den Antritt des Stipendiums in Zürich für eine Stelle als Assistante Doctorante der Université de Neuchâtel entschieden. Wir wünschen ihr dort alles Gute!
Livia Sutter hat ein Candoc-Stipendium der UZH zugesprochen erhalten für ihre Arbeit «Identität und mediale Affordanz: Eine soziolinguistische Analyse der ersten homosexuellen Zeitschrift der Schweiz (1932–1942)». Mit den UZH Candoc Grants werden vielversprechende junge Wissenschaftler:innen unterstützt, die an der Universität Zürich ein ausgezeichnetes Dissertationsprojekt durchführen. Wir gratulieren herzlich!
Gebete und Andachtsübungen zählen zu den am zahlreichsten überlieferten Texten des Spätmittelalters, wobei grosse Teile dieses vielfältigen Korpus bislang weitgehend unerforscht bleiben. Björn Buschbeck versucht, hier eine Lücke zu schliessen, indem er schlaglichtartig drei Untergattungen aus diesem Feld in den Fokus rückt: Nacheinander werden mittelalterliche Rosenkranztexte, Gebetskleider für Maria und frömmigkeitspraktisch herzustellende innere Häuser sowohl literaturhistorisch als auch in Bezug auf ihre Rezeptionsangebote für ein zeitgenössisches Publikum untersucht.
Dabei arbeitet der Autor hervor, wie diese Texte ein Programm sprachlicher Heilsvermittlung entfalten, das Strategien der Bildrede, immersive Wirkungsästhetiken sowie vom Text angeleitete Dynamiken der Figuration kombiniert. Ersteditionen und neuhochdeutsche Übersetzungen einer Auswahl zentraler Primärtexte sind der Studie als Anhang beigegeben und laden zum Stöbern und Erkunden ein.
Zusätzlich zu einer gedruckten Ausgabe ist das Buch digital im Open Access erschienen und kann auf der Webseite des Verlags kostenfrei heruntergeladen werden.
Das von Elvira Glaser, Johannes Kabatek und Barbara Sonnenhauser herausgegebene und von 25 Autorinnen und Autoren verfasste Handbuch über die Sprachenräume der Schweiz beschreitet neue Wege: Standen in bisherigen Publikationen die vier Landessprachen und ihre Mundarten im Zentrum, so finden nun auch eine Reihe weiterer, zumeist im Zusammenhang mit Migration stehender Sprachen Berücksichtigung.
Die Kapitel über Deutsch, Französisch, Frankoprovenzalisch, Italienisch und Bündnerromanisch werden ergänzt durch Kapitel über Jiddisch, Englisch, Italienisch (als Herkunftssprache), Spanisch, Portugiesisch, Bosnisch-Kroatisch-Montenegrinisch-Serbisch und Albanisch. Dabei wird die linguistische Charakterisierung jeweils durch die Beschreibung der sozialen Bedingtheit der einzelnen Sprachgemeinschaften erweitert. Weitere Kapitel behandeln die drei Gebärdensprachen, die Sonderfälle Samnaun (die einzige bairischsprachige Gemeinde der Schweiz) und Shwitzer (ein berndeutsch basierter Dialekt in Nordamerika) sowie die Situation im benachbarten Liechtenstein.
Die Einleitung thematisiert die Entwicklung von der vier- zur vielsprachigen Schweiz, und ein Kapitel über die sprachliche Vorgeschichte fehlt ebenso wenig wie eines über die Sprachbeziehungen und Sprachregelungen der heutigen mehrsprachigen Schweiz. Den Schluss bildet ein Kapitel über die Geschichte der Sprachenstatistik der Schweiz. Das Handbuch, das im November erscheinen wird, ergänzt so das traditionelle Verständnis von Vielsprachigkeit um neue Aspekte und aktuelle Entwicklungen.
Der Titel des Buches könnte bei Lesenden Befremden auslösen, befürchtet Ulrich Stadler, emeritierter Professor am Deutschen Seminar – in der captatio benevolentiae, mit der er sich dem kleinen Insekt zuwendet, das nicht nur in den für diese Klasse zuständigen Naturwissenschaften, sondern eben auch in den Kultur- und Literaturwissenschaften grosse Aufmerksamkeit erhalten hat. Kein Befremden, sondern Vergnügen! Sowohl gehasst als auch bewundert, behauptet der Floh seinen festen Platz im kollektiven Imaginären. Dabei ist er gleichzeitig die Reflexionsfigur eben dieser Ambivalenz.
Die Kulturgeschichte ist ein «Geschichten- und Geschichtsbuch» und spricht all diejenigen an, die Lust haben, dem Floh von Robert Hooks «Micrographia» (1665) bis zu E.T.A. Hoffmanns «Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abenteuern» (1822) zu folgen; ja selbst in Goethes Faust-Tragödie oder Kafkas Prosa tauchen Flöhe auf und verschwinden wieder. Metaphysik, Ethik, Politik und vor allem immer wieder Sex sind die Diskurse, in denen sie zubeissen. Dingfest gemacht wird ein Floh selten, aber besonders schön im eingeschlossenen Bernstein, mit dessen Geschichte das Buch endet. Stadler folgt keiner Chronologie, sondern bewegt sich sprunghaft wie und mit seinem Gegenstand durch die Geschichten. Im Detail liebevolle graphische Flöhe weisen den Lesenden den Weg durch ein Buch, das nicht nur kurzweilig erzählt, sondern auch vom Schwabe Verlag bibliophil gestaltet ist
Im Juni 2024 ist die 54. Ausgabe des Literaturmagazins «Denkbilder» zum Thema «Lücke» erschienen. Die Vernissage fand am 17. Juni 2024 im «Gleis» statt.
Das neue Heft erscheint im Dezember 2024 zum Thema «Schauer».
Link zur Website der «Denkbilder» | Link zum Kauf einzelner Ausgaben
Am 1. August 2024 startete das SNF-Projekt «Annemarie Schwarzenbach: Digitale Edition der Kleinen Formen und Briefe. Reisetexte, Intermedialität, Netzwerke» von Sabine Schneider. Die Projektleitung liegt bei Sabine Schneider und Christine Weder, Universität Genf. Projektpartner sind das Schweizerische Literaturarchiv und Tobias Hodel, Universität Bern.
Annemarie Schwarzenbach (1908–1942), eine der bedeutendsten Schweizer Autor:innen des 20. Jahrhunderts, hat ein faszinierendes, aus literarischen Gross- und Kleinformen, journalistischen Arbeiten und Fotografien bestehendes Werk hinterlassen. Dieses ist heute unter vielfältigen Gesichtspunkten hochaktuell, jedoch nicht in seiner Gesamtheit greifbar. Das Editionsprojekt macht bisher verstreut oder gar nicht edierte Texte unter Berücksichtigung der Fotografien in einer digitalen Edition zugänglich und präsentiert sie im sozialen, kulturellen und politischen Kontext der Autorin und ihrer Zeit.
Sophie Witt wurde zur Privatdozentin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung des Theaters sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft ernannt (FS2024).
Daniela Fuhrmann habilitierte sich im FS2024 mit einer Arbeit zu «Zwischen Welterfassen und Weltverfassen. Pikarische Lebensbeschreibungen des 17. Jahrhunderts.» Sie wurde zur Privatdozentin für Deutsche Literaturwissenschaft von den Anfängen bis 1700 ernannt (FS2024).
Marie-Luis Merten wurde zur Privatdozentin für Germanistische Linguistik ernannt (HS2024).
Wir gratulieren!