Navigation auf uzh.ch

Suche

Deutsches Seminar

Newsletter Februar 2020

3. Newsletter 2020

 

Liebe Alumnae, liebe Alumni

In Zedlers Grossem vollständigen Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste werden ‹Alumni› bündig als all diejenigen definiert, «so man mit Speiß und Tranck versorgt, und sie in allen guten Sitten unterrichtet». Die Mensen der Universität Zürich sind, gemessen an den Durchschnittsleistungen in dieser gastronomischen Sparte, famos; die germanistische Forschung wiederum interessiert sich besonders und gerade auch in Zürich für das Verhältnis von Ethik und Ästhetik, etwa mit Blick auf das 18. Jahrhundert – insofern sind die ›guten Sitten‹ auch Gegenstand eines germanistischen Curriculums.

Die Alumni-Organisationen allerdings sind, so kontinentaleuropäisch das Wort auch klingt, eine amerikanische ‹Erfindung›, die erste Alumni-Organisation wurde von Absolventen der Yale University 1792 gegründet. Das Deutsche Seminar begreift ‹Germanistik› als ein internationales Geschäft, in dem von den Departments Nordamerikas ausgehend viele Impulse auch die schweizerische Forschungslandschaft prägen. Als Mitglied der ‹GfdSL› können Sie an diesen spannenden Entwicklungen teilhaben, für die übrigens die ‹Zurich Distinguished Lecture› einstehen. David E. Wellbery aus Chicago, Rüdiger Campe und Fatima Naqvi von der schon erwähnten Yale University haben bereits vorgetragen. Am 15. Mai 2020 wird Dorothea von Mücke von der Columbia University über «Humanität als Widerstand. Walter Benjamins ‹Deutsche Menschen›» referieren.

Retrospektive

Preisverleihung
Madeleine Boxler überreicht die Urkunde.

Am 28. November 2019 feierte die Gesellschaft im Deutschen Seminar ihr 125-jähriges Bestehen. Der Festakt wurde mit der erstmaligen Übergabe des von der GfdSL verliehenen Preises für exzellente Abschlussarbeiten eröffnet. Als erste Preisträgerin wurde Ann-Sophie Bosshard gekürt. Ihre Bachelor-Arbeit zum Thema «Literaturtheoretische Ansätze in E. T. A. Hoffmanns ‹Der goldene Topf›» überzeugte die Jury durch die in akribischen Close-Readings ermittelte literarische Selbstreflexivität des Textes, welche sich in einem Wechselspiel zwischen den Welten des Realistischen und des Phantastischen entfaltet.

Das anschliessende Podiumsgespräch mit Impulsen aus den verschiedenen germanistischen Disziplinen war dem Thema Feiern gewidmet. Maximilian Benz erörterte, wie in literarischen Darstellungen von Feierlichkeiten im Mittelalter das Profane im sakralen Zusammenhang neu kontextualisiert und transzendiert wird, ja Profanes und Sakrales nah aneinander geführt werden. Dass es dabei auch mal für Josef von Nazareth eine Tracht Prügel von Mägden setzte, sorgte für Erheiterung bei den gut fünfzig anwesenden Mitgliedern der Gesellschaft. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive zeigte Frauke Berndt auf, wie Goethe die Unbekümmertheit von Feiern als poetologische Ressource zur Herbeiführung von fatalen Wendungen einsetzte. Dabei entwickelte sie erhellende Einblicke in feierliche Praktiken der Zeit um 1800. In Anbetracht des bevorstehenden Apéros widmete Guido Seiler den linguistischen Impuls dem Small Talk. Dabei zeigte sich, dass eine der bemerkenswerten Funktionen des Smalltalks darin liegt, die Stimme des Gegenübers für allfällige weitere Begegnungen zu verinnerlichen. Beim abschliessenden Apéro stellten die Mitglieder der GfdSL bis tief in die Nacht unter Beweis, dass sie den theoretischen Input aus den Referaten mühelos in die Praxis umzusetzen wussten.

Agenda

Das Verhältnis von Literatur und Bild gehört seit langem zu den grossen Forschungsfeldern der Germanistik. In Zürich befindet sich mit dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK) eine einzigartige Forschungseinrichtung, die über ein Archiv und eine Spezialbibliothek ebenso wie ein Restaurierungsatelier verfügt und in der wunderschönen Villa Bleuler residiert. Die Villa mit ihrer grossen Parkanlage ist ein herausragendes Beispiel historistischer Architektur. Ein Semper-Schüler, Alfred Friedrich Bluntschli, erbaute sie im Stil der Neurenaissance von 1885 bis 1888.

VIlla

Villa Bleuler

Am 6. Mai 2020 bietet der Direktor des SIK, PD Dr. Roger Fayet, für die Mitglieder der GfdSL eine exklusive Führung durch Villa und Park an und wird einen Überblick über die vielfältigen Tätigkeitsbereiche des Instituts geben (Beginn: 18 Uhr). Im Anschluss an die Führung offerieren wir einen Apéro.

 

Gesucht

Das Literaturhaus Zürich ist auf der Suche nach Gastgeber*innen, die ihre Wohnzimmer, Ateliers, Hinterhöfe oder Schrebergärten einen Abend zum Literatursalon werden lassen möchten. Die Kosten für die öffentlichen Sofalesungen im kleinen Rahmen werden vom Literaturhaus übernommen. Die Einladung passender Autor*innen und die Organisation des Anlasses erfolgt in Absprache mit den Gastgeber*innen.  Gelesen und besprochen werden Werke aus Prosa, Lyrik und Spoken Word. Weitere Informationen gibt es unter https://sofalesungen.ch/de/sofalesungen/gastgeberin-werden. Mailkontakt: info@sofalesungen.ch

Starke Frauen am DS: Claudia Keller

Am 16. November 2019 erhielt Claudia Keller, Oberassistentin im Lehrstuhl von Sabine Schneider, im Rahmen der Jahresversammlung der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft für Germanistik (SAGG) den Zeno-Karl-Schindler-Preis für deutsche Literaturwissenschaft. Der mit 10 000 SFr. dotierte Preis wurde von der Präsidentin der Zeno Karl Schindler-Stiftung (ZKS), Frau Jacqueline Schindler, überreicht. In zwei von drei Jahren werden mit ihm Nachwuchswissenschaftler*innen aus dem Bereich der germanistischen Mediävistik ausgezeichnet, jedes dritte Jahr geht der Preis an eine*n aufstrebende*n Neugermanisten*in.

CLaudia Keller

Prämiert wurde Claudia Kellers Dissertation, die unter dem Titel ‹Lebendiger Abglanz. Goethes Italien-Projekt als Kulturanalyse› 2018 im Göttinger Wallstein-Verlag erschienen ist. René Wetzel wies in seiner Laudatio daraufhin, dass der Entscheid der internationalen Jury selten «so einhellig positiv und begeistert ausgefallen» sei wie in diesem Jahr. Claudia Kellers interdisziplinär zwischen Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft angesiedelte Monographie thematisiert ein Projekt Johann Wolfgang Goethes und Johann Heinrich Meyers, des Zürcher Malers und Kunsthistorikers, das nicht zuletzt auf Grund der Kriegswirren in den Koalitionskriegen gegen Napoleon nicht zum Abschluss gebracht werden konnte. Ziel war es, eine Kulturgeschichte Italiens zu schreiben, zugleich aber auch eine Analyse der Bedingungen von Kultur überhaupt vorzulegen.

Die Dokumente des unvollendet gebliebenen ›Italien-Projekts‹ bieten somit bislang nicht erschlossene Möglichkeiten, die kollaborative Arbeitsweise Goethes und die besondere Leistung gerade auch Meyers angemessen zu beschreiben, zugleich aber auch zu erkennen, wie sehr Goethe, entgegen allen autonomieästhetischen Vorstellungen, Kunst gesellschaftlich denkt, etwa im Modellfall der Farbe: Betrachtet man Kultur in dieser Weise, erscheinen Kunst, Natur und Gesellschaft aufeinander bezogen. In der, wie die Laudatorin Sabine Schneider hervorhob, höchst innovativen Arbeit – und das ist in der Goethe-Philologie kein wohlfeiles Prädikat! – werden dabei auch neue Perspektiven auf das Spätwerk Goethes entwickelt.

So philologisch präzis, so quellengesättigt diese Arbeit ist: Claudia Keller bewohnt keinen Elfenbeinturm, sondern engagiert sich auch in der Vermittlung literaturwissenschaftlichen Wissens für eine interessierte Öffentlichkeit. So war sie Co-Kuratorin der international beachteten Ausstellung ›Winckelmann. Moderne Antike‹, die vor zweieinhalb Jahren im Neuen Museum in Weimar gezeigt wurde. Bestimmt werden wir bald Gelegenheit haben, auch auf einer Veranstaltung unserer Gesellschaft von ihr Neues über die Weimarer Klassik zu erfahren!

International prämiert und vernetzt: Sebastian Meixner

Die Zeit, in der nur bemooste Häupter in die Akademien der Wissenschaften einziehen durften, sind vorbei. Von verschiedenen Akademien wurden Programme aufgelegt, die gerade auch exzellente Nachwuchswissenschaftler*innen fördern sollen. So auch in Mainz: Die dortige Akademie fördert 36 aufstrebende Talente, die sich in ihrem jeweiligen Fach bereits in akademisch jungen Jahren einen Namen gemacht haben – für insgesamt vier Jahre. Diese einzigartige Chance bedeutet, dass man an Plenarsitzungen und Veranstaltungen der Akademie teilnehmen kann, zugleich aber in interdisziplinären Arbeitsgruppen diskutiert und eigene Symposien und Workshops organisiert.

Sebastian Meixner

Sebastian Meixner, Oberassistent am Lehrstuhl von Prof. Dr. Frauke Berndt, wird zum kommenden April in die illustre Junge Akademie aufgenommen. Internationalität und Vernetzung zeichnen Meixners Profil aus, der in Tübingen, Florenz und St. Louis studierte und während seiner Promotionszeit auch einen Forschungsaufenthalt an der renommierten University of Chicago genoss. Grundlage für die Aufnahme in die Junge Akademie stellt aber seine herausragende Dissertation zum Frühwerk Goethes dar, das im Zeichen einer historisch-narratologischen Untersuchung in seinen Zusammenhängen ernst genommen wurde. Dies führt zu einer fruchtbaren Doppelperspektive. Zum einen wird eine Systematik einer historischen Narratologie der Spätaufklärung entwickelt, die Wissen und Erzählung, also epistemischen Anspruch und narrativen Prozess, in ein Verhältnis setzt.

Buch Meixner

Zum anderen ergibt sich daraus ein innovativer Blick auf Goethes Frühwerk, dessen naturwissenschaftliche Texte gerade mit Blick auf die ihnen inhärente Narrativität aufgewertet und mit den genuin literarischen Texten in Verbindung gebracht werden.

Goethes Frühwerk steckt voller narrativer Experimente, deren Analyse deutlich macht, dass Erkennen kein motivisches Phänomen ist – wie etwa von Genette selbst noch angenommen wurde –, sondern eine Darstellungskategorie. Meixners Arbeit beschreitet damit so etwas wie den Königsweg neuerer Literaturwissenschaft: Sie kombiniert eine Theoriegeschichte der Narratologie durch eine Historisierung der scheinbar überzeitlich formulierten strukturalistischen Begriffe mit ihrer analytischen Operationalisierung. Die Dissertation ist 2019 im Verlag de Gruyter unter dem Titel ‹Narratologie und Epistemologie. Studien zu Goethes frühen Erzählungen› erschienen – sodass Sebastian Meixner nun auch wieder vermehrt Zeit hat, sich der Mitarbeit in Gremien zu widmen und universitäre Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Beides macht er mit Leidenschaft. Aus dem Mittelbau des Deutschen Seminars ist er kaum wegzudenken und so sind alle Kolleg*innen froh, dass er durch die Aufnahme in die Junge Akademie immer nur zeitweise den Zürcher Zusammenhängen den Rücken kehrt.

Neues vom DS in Kürze

Christine Stridde und Maximilian Benz wurden von der Erweiterten Universitätsleitung zu Privatdozent*innen für Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700, Stefan Hauser, Noah Bubenhofer und Claudia Bucheli Berger zu Privatdozent*innen für Germanistische Sprachwissenschaft und Felix Christen zum Privatdozenten für Neuere deutsche Literatur ernannt. Klaus Müller-Wille wurde von der Schwedischen Akademie mit dem Preis für die Vermittlung schwedischer Kultur im Ausland des Jahrs 2019 ausgezeichnet.