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Der Fragekatalog zu den Standreden enthält Ideen für Forschungsarbeiten.
(ungeordnet; wird laufend ergänzt)
Die folgenden Beispiele zeigen exemplarisch die Varianz aber auch Musterhaftigkeit von Standreden.
Andreas Walser wird in St. Gallen zum Tod durch das Schwert verurteilt, weil er zuerst Ehebruch begangen und dann die Frau, mit der er sündigte, ermordet hat. Der Pfarrer Herenäus Haid hält kurz nach seiner Hinrichtung auf der Richtstätte eine Predigt, in der er Gott um Barmherzigkeit für den armen Sünder bittet. Neben dem Gebet ist die Beschreibung der Lebensgeschichte des Delinquenten Bestandteil der Predigt. So sei dieser, nachdem seine Eltern gestorben sind, nach und nach vom christlichen Glauben abgefallen und habe sich immer mehr seinen Leidenschaften hingegeben. Zu seinem Unglück habe ausserdem das «Lesen verderblicher Geschichts-Bücher und besonders der Romane (Liebes-Geschichten)» beigetragen. Der Prediger warnt anschliessend das anwesende Publikum, insbesondere die Jungen, vor dem Lesen der Romane, «welche nur die Seele vergiften».
Herenäus Haid, Eine kleine Rede an das versammelte Volk nach der Hinrichtung des Andreas Walser durch das Schwert der Gerechtigkeit am 18ten März 1815 zu St. Gallen, St. Gallen: Brentano, 1815, 8°, 16 S.
Nachdem Michael Hürli in Zug geköpft worden ist, hält der Stadtpfarrer Konrad Bossart auf der Richtstätte die Standpredigt. Der Verfasser beklagt die verdorbene Zeit: «Ach! es hat eine höchst gefährliche – eine überaus beweinenswürdige Gottes- und Heils-Vergessenheit in unserer Mitte überhandgenommen.» Obwohl der Delinquent elf Jahre zuvor am selben Ort schon Zeuge einer Hinrichtung und einer erschütternden Standrede geworden sei, habe ihn das nicht vom Sündigen abgehalten. Er wurde zum Ehebrecher und schliesslich sogar zum Mörder. Der Prediger spricht anschliessend direkt die anwesenden Kinder, Jugendlichen und Eltern an und warnt sie vor dem schrecklichen Ende auf der Richtstätte. Zum Abschluss wird für den armen Sünder gebetet.
Konrad Bossart, Standrede gehalten auf der Richtstätte in Zug nach der Hinrichtung des Michael Hürli, den 26. Weihmonat 1816, Zug: Blunschi, 1816, 8°, 8 S.
Auf der Richtstätte in Zürich werden Jakob Bosshard und sein Komplize Reinberger wegen Raubmordes hingerichtet. Pfarrer Johann Ludwig Spyri, der zusammen mit drei weiteren Pfarrern mit der Seelsorge der zwei Verurteilten beauftragt war, hält die Standrede. Zunächst erinnert Spyri diejenigen, die aus Neugierde im Publikum stehen daran, dass die Richtstätte «nicht eine Stätte der Neugier, sondern nur ein Ort ernster Selbstprüfung und tiefen Insichgehens sein dar». Die Hingerichteten, vom Glauben an Gott abgefallen und von der Sünde ergriffen, hätten in ihren letzten Stunden zurück zu Gott gefunden und ihn um Vergebung gebeten. Spyri klagt zuletzt auch die fehlende Nächstenliebe der Gemeinschaft an. Die Mitbürger hätten die beiden vom Bösen abbringen können, wenn sie «jenem energischen und kräftigen Bösewicht mit dem Worte des Geistes und der Liebe von Anfang an in die Seele hineingeredet» hätten. Der Standrede ist eine Beschreibung der letzten Tage Bosshards und Reinbergers angefügt, die die zwei anderen Pfarrer und beauftragten Seelsorger Zimmermann und Hirzel verfassten.
J. L. Spyri, Standrede bei der Hinrichtung von Bosshard und Reinberger, den 2. Juli 1856. Mit Nachrichten über die letzten Lebensstunden der Hingerichteten, Zürich: Bürkli, 1856, 4°, 32 S.
Niklaus Emmenegger wird wegen Raubmordes hingerichtet. Der Stadtpfarrer von Luzern, Niklaus Schürch, spricht auf der Richtstätte zum versammelte Volk. Trotz grundsätzlicher guter Erziehung durch seinen Vater – seine Mutter ist schon früh gestorben – habe er die Religion nur in seinem Kopf und nicht in seinem Herzen getragen und sei dadurch vom rechten Weg abgekommen. Von Geldgier getrieben habe der Sünder in einer abgelegenen Alphütte das Verbrechen begangen. Der Verfasser erinnert an das allsehende Auge Gottes, von dem keine Freveltat verborgen bleibe. Zum Schluss folgt das Gebet der anwesenden Gemeinde für den toten Verbrecher.
Niklaus Schürch, Anrede bei der Hinrichtung des Niklaus Emmenegger von Flühli, den 6. Juli 1867, Luzern: Räber, 1867, 4°, 8 S.