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Die Transformation der literarischen in eine politische Öffentlichkeit und die Vielfalt der literarischen Positionen zwischen 1815 und 1850 artikuliert sich im Zeichen sich intensivierender polemischer Praktiken, die ins literarische Feld einwandern. Polemische Verfahren affizieren die ästhetischen Normen, dynamisieren die Öffentlichkeitsstruktur der Institution Literatur, erschüttern die prekäre Autonomie des Literatursystems und bringen neue Formen ästhetischer Operativität hervor. Sie setzen die Gattungsgrenzen in Bewegung, führen zu Gattungsauflösung, Hybridisierung und oft kurzlebiger Gattungsbegründung oder auch zur reaktiven Bekräftigung traditioneller Gattungen. Sie treiben die Fragmentierung der literarischen Öffentlichkeit und die Entstehung subversiver, von Zensur bedrohter Gegenöffentlichkeiten voran, darunter prominent die sich literarisch-publizistisch artikulierende und in der Salonkultur praktisch formierende Frauenemanzipation und die jüdische Emanzipationsbewegung. Am Beispiel der Junghegelianer, der deutsch-französischen Frühsozialisten oder der frauenemanzipatorischen Diskurse soll schließlich die theoretisch-politische Produktivität von Polemik aufgewiesen werden.
Aktuelle gesellschaftliche Konfliktlagen wie die Fragmentierung der Öffentlichkeit im digitalen Raum, das Ringen um eine demokratische Streitkultur, soziale Polarisierungsphänomene und ‚hate speech‘ erfordern einen Rückgang auf die polemische Geschichte der bürgerlichen, literarisch-politischen Öffentlichkeit. Methodisch situiert sich das Projekt in einer kulturwissenschaftlich reflektierten Literaturwissenschaft, mit Anschlussstellen an Soziologie, Gender Studies, Geschichtswissenschaft, Linguistik, Sprachphilosophie, Psychologie und Kunstgeschichte.
Polemics, controversy, literary public, politicization, praxeology, literary genre, aesthetic autonomy, women's emancipation, salon culture, Vormärz, Biedermeier, realism, early socialism, German-Jewish literature