Veranstaltungen
Demnächst: Internationale Tagung - „Polemologie als literaturwissenschaftliches Paradigma: Historische und methodologische Zugänge“, 28.-30. Mai 2026
28.-30. Mai 2026, Universität Zürich, Deutsches Seminar
Prof. Dr. Sabine Schneider, PD Dr. Demian Berger
Polemische Sprechweisen sind jüngst verstärkt ins Blickfeld der literaturwissenschaftlichen Forschung gerückt, sowohl in Bezug auf begriffliche Reflexion als auch hinsichtlich der historischen Verortung polemischer Praktiken in Literatur und Öffentlichkeit. Polemik wird dabei verstanden weniger als eigene ‚Gattung’ denn als eine situativ variable, rhetorisch gestaltete Sprech- und Argumentationsweise, die sich in bestimmten (polemischen) Gattungen oder Pseudo-Gattungen – wie Satire, Pamphlet, Manifest etc. – niederschlagen kann, ohne dass sich abschließend sagen ließe, was überhaupt als ‚Polemik‘ gelten kann, wo die Grenze zu verwandten Streitformaten wie Kontroverse, Diskussion, Disput, Kritik u.a. zu ziehen ist und ob eine solche Abgrenzung angesichts der Variabilität polemischer Sprechweisen methodologisch überhaupt sinnvoll ist. In historischer Hinsicht fragt sich etwa, wie der Anteil polemischer Praktiken an der Konstitution der literarisch-politischen Öffentlichkeit (im Unterschied zur traditionellen Gelehrtenöffentlichkeit) seit Mitte des 18. Jahrhunderts zu bestimmen ist und welche geschichtlichen Brüche sich im 19. Jahrhundert mit der Herausbildung der modernen Publizistik sowie im 20. und 21. Jahrhundert mit der massendemokratischen Presse und den neuen digitalen Medien in Bezug auf Polemik ereigneten. Zweitens wäre zu fragen, in welchem Verhältnis Polemik zur (ästhetisch-literarischen) Moderne steht, inwieweit sich Letztere durch eine spezifische Polemik-Affinität auszeichnet und wo diesbezüglich die historische Schwelle anzusetzen ist. Drittens kann nach der Relation polemischer Verfahren und ästhetischer Autonomie bzw. ‚autonomer‘ literarischer Praxis gefragt werden: Welche ästhetischen und politischen Dynamiken werden in Gang gesetzt, wenn Polemik in Literatur einwandert, deren Codes modifiziert und ihrerseits literarisch sublimiert wird? Viertens kann die Perspektive erweitert werden in Richtung von Phänomenen wie dem modernen, auch literarisch ausgetragenen Kulturkampf, dem Verhältnis der Religionen und Konfessionen, etwa im – polemischen oder dialogischen – Kontext deutschsprachig-jüdischer Literatur sowie hinsichtlich der weiblichen Emanzipationskämpfe mit ihren literarischen Ermächtigungsstrategien. Und schließlich soll auch die Rezeptionsseite Beachtung finden: Wie rezipiert die Öffentlichkeit literarische Polemik, welche Praktiken ‚wachsamen Lesens‘ bilden sich heraus, welche Zensurformen werden als Gegenpolemik evoziert und was lässt sich unter ‚polemischer Lektüre‘ verstehen?
Ziel der Tagung ist es, durch die Diskussion solcher Fragen ‚Polemologie‘ als literaturwissenschaftliches Forschungsprogramm zu umreißen, das auf Basis einer begrifflichen Reflexion nicht nur einen formsensiblen Zugriff auf die Literarisierung polemischer Verfahren erlauben, sondern auch einen breiteren kulturwissenschaftlichen Zugang zur polemischen Öffentlichkeitsproduktion von der Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert ermöglichen soll, besonders mit Blick auf die europäischen Austauschprozesse. In diesem Sinn soll trotz des literarturwissenschaftlichen Schwerpunkts nach Anschlussstellen zu den sozialwissenschaftlich relevanten Disziplinen wie Geschichtswissenschaft und Soziologie gefragt werden. Angesichts der gegenwärtigen Konjunktur polemischer Verfahren in der digitalen Plattform-Öffentlichkeit – sei es in Gestalt von ‚hate speech‘ oder von elaborierteren polemischen Formaten – soll die begriffliche und historische Diskussion um einen aktualitätsbezogenen Zugang ergänzt werden: Welche öffentlichkeits- und demokratietheoretischen Auswirkungen hat zeitgenössische Polemik; steht der „Neue Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (Habermas) gar im Zeichen von Polemik? Stellt polemische Praxis eine Gefahr oder auch eine Chance für die westlichen Demokratien dar; lässt sich das epistemische Potential von Polemik auch politisch produktiv nutzen? Solche Fragen bilden zwar nicht den Schwerpunkt, wohl aber einen historischen Fluchtpunkt der Tagung.
Vergangene Veranstaltungen
13.-14. September 2024: Workshop Polemik und weibliche Emanzipationsbestrebungen im Vormärz

Programm
Polemik als diskursive, literarisch hochproduktive Praxis mit öffentlichkeits- bildender Kraft ist jüngst verstärkt ins Blickfeld der Forschung gerückt. Im Rahmen des neuen SNF-Projekts „Polemik und literarisch-politische Öffentlichkeit 1815-1850“ wollen wir in diesem Workshop über Formen und Funktionen polemischer Schreibweisen sprechen und diese in Hinblick auf deren Bedeutung als weibliche Ermächtigungsstrategie diskutieren. Dabei widmen wir uns theoretischen Überlegungen zum Begriff 'Polemik' und zur Methode der Polemologie wie auch ausgewählten literarischen Texten aus dem besagten Zeitraum, die gewöhnlich der Kategorie 'Vormärz' oder 'Biedermeier' zugeordnet werden.
Mit Frau Prof. Dr. Ulrike Vedder (Berlin) und Frau Prof. Dr. Elke Dubbels (Bonn) als Referentinnen dürfen wir zwei ausgewiesene Expertinnen im Bereich der Polemik-Forschung bzw. der literaturhistorischen Genderforschung begrüssen.
Doktorierende der Literaturwissenschaft können diese Veranstaltung über das Vorlesungsverzeichnis buchen und erhalten für die Teilnahme am Workshop 1 ECTS. Auch interessierte Studierende und Mitarbeitende des Deutschen Seminars sind herzlich willkommen und haben die Möglichkeit, an einem gemeinsamen Lunch mit den Referierenden teilzunehmen.
Sollten Sie an der Teilnahme interessiert sein, bitten wir Sie um eine schriftliche Anmeldung per Mail an: melissasabrina.vogt@ds.uzh.ch .
Datum 13.-14. September 2024
Zeit FR 10:00-18:00; SA 10:00-15:00
Ort Deutsches Seminar, SOD-0-002
Gäste Prof. Dr. Elke Dubbels (Bonn), Prof. Dr. Ulrike Vedder (Berlin)
Organisation MA Melissa Vogt, Dr. Demian Berger
Vorträge
Vorträge im Projektkontext (PD Dr. Demian Berger)
- 20. April 2024 – Projektvorstellung: „Polemik und literarisch-politische Öffentlichkeit 1815—1850“. Vortrag im Rahmen der Studientagung 14. Internationales Forum Junge Vormärz Forschung, Bergische Universität Wuppertal.
- 9. September 2024 – „Zur Polemologie der Zensur im Vormärz. Am Beispiel von Karl Gutzkows Roman Maha Guru und dessen Briefkorrespondenz mit dem Cotta-Verlag“. Vortrag im Rahmen des Workshops „Streichen, Rath und Tadel“. Wachsames Lesen im Cotta-Verlag 1819–1848, DLA Marbach, SFB-Projekt Vigilanz Kulturen.
- 13. und 14. September 2024 – Workshop: „Polemik und weibliche Emanzipationsbestrebungen im Vormärz“. Org. zus. m. MA Melissa Vogt, Universität Zürich.
- 18. Oktober 2024 – „Zensur als literarisches Produktions- und Rezeptionsprinzip im Vormärz“. Probevortrag zur Habilitation, Universität Zürich.
- 10. Januar 2025 – „Zur Polemologie der Zensur im Vormärz. Am Beispiel von Karl Gutzkows Roman Maha Guru und dessen Briefkorrespondenz mit dem Cotta-Verlag“. Vortrag im Rahmen des Workshops Veröffentlichen unter Aufsicht. Vigilante Akteure des deutschsprachigen Literaturmarkts 1819–1848, LMU München, SFB-Projekt Vigilanz Kulturen.
- 3. Juli 2025 – „C.A. Klotz und Thomas Abbt: Eine unheilige Allianz?“. Vortrag im Rahmen der Tagung Christian Adolph Klotz (1738–1771). Ästhetiker, Philologe und Polemiker der Aufklärung. Org. v. Lore Knapp und Gideon Stiening, 3. bis 5. Juli 2025, Universität Bielefeld.
- 10. und 11. Juli 2025 – Workshop: „Zwangloser Zwang oder literarische Vernichtung? Aufklärung, Öffentlichkeit, Polemik“. Org. zus. m. Prof. Dr. Daniel Weidner, IZEA Halle.
- 6. Oktober 2025 – „Adornos George-Lektüre in der Rede über Lyrik und Gesellschaft. Eine editionsphilologische Neubetrachtung“. Vortrag im Rahmen eines Workshops zur Neuedition von Adornos Rede (hg. und org. v. Dr. Katrin Wittler u.a.), FU Berlin.
- 28. bis 30. Mai 2026 - Tagung „Polemologie als literaturwissenschaftliches Paradigma: Historische und methodologische Zugänge“, org. zus. m. Prof. Dr. Sabine Schneider, Universität Zürich.
- September 2026 – „Polemik und Geschichtsphilosophie bei Thomas Abbt“. Vortrag im Rahmen der WP-Tagung: Thomas Abbt (1738-1766), org. v. Gideon Stiening, Anne Pollock und Stefan Brüdermann, Bückeburg, 17. bis 19. September 2026.
Vorträge im Projektkontext (MA Melissa Vogt)
- 20. April 2024 - "Ein Heldenweib mit flammenden Panieren" - Schreiben als Zündstoff: Polemische Verfahren als literarisch-politische Ermächtigungsstrategien im Werk von Louise Aston. Vortrag im Rahmen der Studientagung 14. Internationales Forum Junge Vormärz Forschung, Bergische Universität Wuppertal.
- 13. und 14. September 2024 – Workshop: „Polemik und weibliche Emanzipationsbestrebungen im Vormärz“. Organisation gem. m. D. Berger und Moderation, Universität Zürich.
- 13. September 2024 - Polemisches Schreiben bei Louise Aston und Louise Otto-Peters. Inputvortrag im Rahmen des Workshops Polemik und weibliche Emanzipationsbestrebungen im Vormärz, Universität Zürich.
- 26. April 2025 - "Um meine Ehre zu rettten." Zur literarischen Aneignung maskulin codierter Schreibformen und performativer Männlichkeitsakte bei Louise Aston. Vortrag im Rahmen der Studientagung 15. Internationales Forum Junge Vormärz Forschung, Bergische Universität Wuppertal.
- 28. bis 30. Mai 2026 - Titel tba. Vortrag im Rahmen der internationalen Projekttagung Polemologie als literaturwissenschaftliches Paradigma: Historische und methodologische Zugänge, Universität Zürich.