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Leitung: Prof. Dr. Heiko Hausendorf
Projektstart: 01.04.2020
Finanzierung: SNF
Mit der Interaktion unter Anwesenden ist grundsätzlich die Herstellung eines auf die Zwecke der jeweiligen Interaktion zugeschnittenen Wahrnehmungs-, Bewegungs- und Handlungsraumes («Interaktionsraum») verbunden. In der institutionellen Kommunikation innerhalb der modernen Funktionssysteme der Gesellschaft wird dieser Zusammenhang zwischen Raum und Interaktion besonders greifbar, insofern sich hier eigene Zweckgebäude herausgebildet haben, in denen die fragliche Ausprägung institutioneller Kommunikation ihr gebautes Zuhause gefunden hat. Das gilt gleichermassen für die im Mittelpunkt des geplanten Vorhabens stehenden Fälle: die Vorlesung im Hörsaal, den Gottesdienst im Kirchenraum und den Fahrkartenverkauf am Ticketschalter. Stets haben wir es mit Interaktionsarchitekturen zu tun, die als sedimentierte Formen der routinisierten Lösung immer wieder ähnlicher kommunikativer Probleme angesehen werden können und ebenso robuste wie effektive Ressourcen für die innerhalb solcher Architekturen anlaufenden Interaktionen darstellen. Wiewohl nicht flüchtiger, sondern persistenter Natur, sind Interaktionsarchitekturen als Produkt gesellschaftlicher Evolution dem Wandel ausgesetzt. Hier setzen wir mit der Auswahl der bereits genannten Fälle an: Sowohl am Schalter als auch im Kirchenraum und – mit Abstrichen – auch im Hörsaal erleben wir seit geraumer Zeit eine markante Veränderung der Interaktionsarchitekturen: eine markante Zurücknahme interaktionsarchitektonischer Vorgaben (vom Schalter zum Service Center, vom Kirchenraum zum Open Space, vom Hörsaal zum Multimedia-Hub), mit der Tendenzen zur Entdifferenzierung, Entstrukturierung und Enthierachisierung institutioneller Kommunikation einhergehen. Diese allgemeine gesellschaftliche Entwicklung soll im Projekt als Re-Figuration institutioneller Kommunikation gefasst werden. Die Fallauswahl folgt einer Heuristik unterschiedlicher Aspekte der Umgestaltung von Interaktionsarchitekturen, die im Fall des Schalters den gebauten Raum, im Fall des Kirchenraums den (insbesondere durch Mobiliar) gestalteten Raum und im Fall des Hörsaals den (insbesondere durch Technik) ausgestatteten Raum betreffen. Während der hinter diesen Veränderungen stehende gesellschaftliche Wandel in der Soziologie seit Längerem diskutiert und reflektiert wird, gibt es bis heute kaum empirische Untersuchungen dazu, wie Innovationen der Interaktionsarchitekturen die fragliche institutionelle Kommunikation beeinflussen und verändern, wie anders gesagt mit der Re-Figuration institutioneller Kommunikation auch eine Re-Figuration institutioneller Interaktionsräume verbunden ist. Das Vorhaben soll dazu ausgehend von eigenen Vorarbeiten innerhalb der videobasierten linguistischen Interaktionsforschung einen fallvergleichenden Beitrag leisten, der sich auf die Situierung institutioneller Kommunikation (als Herstellung des Interaktionsraums) und das Zusammenspiel der dafür zentralen Ressourcen von Sprache, Körper(lichkeit) und Architektur bezieht. Es verspricht damit eine Weiterentwicklung der linguistischen Untersuchung institutioneller Kommunikation in einem theoretisch relevanten, methodologisch anspruchsvollen und empirisch noch weitgehend unerforschten Bereich des Zusammenhangs von Sprache, Interaktion und Raum.