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Deutsches Seminar Romanhaftwerden

Exzentrisches Erzählen: Materialität und Heteroglossie in der dänischen Prosa um 1800

Dissertationsprojekt MA Timon von Mentlen

Abstract

Im Rahmen des Projektes Romanhaftwerden. Skandinavische Prosaliteratur der späten Vormoderne untersucht dieses Dissertationsprojekt die Werke der dänischen Erzählliteratur, die im Zeitraum von 1774 bis 1801 verfasst bzw. veröffentlicht wurden. Dieser Zeitraum entspricht ungefähr der Spätaufklärung oder dem senklassicisme bzw. der præromantik, wie die Epoche von 1760-1800 in Dänemark zuweilen bezeichnet wird.

Die Bezeichnung senklassicimse (Spätklassizismus) verweist auf den starken Einfluss, der der vorhergehende dänische Klassizismus auf diese Zeit ausübte – allen anderen voran Ludvig Holbergs Texte. Der Begriff præromantik (Präromantik) hingegen setzt die Zeit in die Nähe der nachfolgenden Romantik, die Dänemark laut der traditionellen Literaturgeschichtsschreibung 1802 erreicht, nämlich mit der Rückkehr Henrich Steffens nach Kopenhagen und dessen Vortrag über die deutsche Romantik.

Egal ob senklassicisme oder præromantik, beide Begriffe suggerieren, dass es sich bei dieser Epoche um eine Zwischenzeit handelt, die in Dänemark kaum etwas Neues vorzuweisen hatte. Es kann daher nicht verwundern, dass die Literaturwissenschaft diese Zeit bisher äusserst stiefmütterlich behandelt hat. Einzige Ausnahmen davon bilden die Schriften Jens Baggesens und Johannes Ewalds, die auf eine längere Rezeptionsgeschichte zurückblicken können.

 

Dieses Dissertationsprojekts setzt sich daher zum Ziel, diese Texte der Zwischenzeit als Texte des Wandels ernst zu nehmen. Es erscheint nicht zufällig, dass gerade in dieser Übergangszeit die Produktion und Verbreitung romanhafter Prosatexte steigt, denn zum Romanhaften gehört laut Bachtin der Wandel, die stetige Veränderung, das Werden als zentrales Element dazu.

 

Ein weiterer Grund für die eher spärliche Forschungslage liegt an der Exzentrizität der Texte: Sie zeichnen sich besonders durch ein Experimentieren mit langen Digressionen und paratextuellen Elementen wie etwa Fussnoten, Anmerkungen und typographischen Spielereien aus und lehnen sich an Schriften von Laurence Sterne oder Jean-Jaques Rousseau an. Dadurch unterscheiden sie sich markant vom nachfolgendem bürgerlich-realistischen Roman, dessen Orientierung an einem mimetischen Illusionismus für die Romangeschichte massgebend wurde. Diesem Massstab folgend wirken die typographischen Spielereien der exzentrischen Texte oberflächlich und schräg.

Durch eine Veränderung des Blickwinkels und den Fokus auf eben diese Elemente und Spielereien lässt sich jedoch eine ungeahnte Tiefe in den Texten erkennen. Sie scheinen sich durch eine ausserordentliche Selbstreflexivität auszuzeichnen, adressieren durch Erzählinstanzen die Leserinnen und Leser, spielen mit Fiktionalität und Faktualität, interessieren sich mehr für Form und insbesondere Materialität als Inhalt und werfen dadurch unter anderem epistemologische Fragestellungen auf.

 

Durch die Behandlung dieser Themen versucht das Dissertationsprojekt die Texte theoretisch aufzuwerten, und kann womöglich sogar eine Traditionslinie aufdecken, die zu den späteren Klassikern des dänischen Goldenen Zeitalters, Søren Kierkegaard und Hans Christian Andersen, führt, in deren verschachtelten Texten ähnliche Schreibweisen zur Anwendung kommen. 

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  • Timon_2
  • Timon_3
  • Timon_4

Weiterführende Informationen

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