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Deutsches Seminar

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Dr. Susanne Oberholzer


 

Laufende Forschungsprojekte

  • Bairisch-alemannischer Sprachkontakt. Das Spektrum der sprachlichen Variation in Samnaun (Habilitationsprojekt UZH, 2016-)

In diesem Projekt untersuche ich aktuelle Sprachvariation und Sprachwandel in Samnaun, einer im äussersten Nordosten des Kantons Graubünden gelegenen Gemeinde. Samnaun unterscheidet sich vom Rest der Deutschschweiz durch die Zugehörigkeit zum südbairischen Dialektraum. Als die ursprünglich rätoromanische Gemeinde, die direkt an Tirol grenzt, im 19. Jh. germanisiert wurde, übernahmen die Samnauner:innen den Dialekt ihrer östlichen Nachbar:innen im österreichischen Bundesland Tirol. Der Grund dafür liegt in der geographischen Lage: Samnaun war bis anfangs 20. Jh. nur von Tiroler Seite aus ganzjährig erreichbar. Die einzige fundierte Analyse des Samnauner Dialekts ist bereits fast 100 Jahre alt. Seither hat sich aber das sprachliche und ökonomische Leben der Samnauner Bevölkerung stark gewandelt: Von einer isolierten Gemeinde wurde Samnaun zu einem vom Wintertourismus geprägten Ferienort mit vielfältigen Kontakten zu anderen Deutschschweizer:innen, aber auch zu Gästen aus Deutschland und weiterhin regem Austausch mit der direkten Tiroler Nachbarschaft. Einzelne Quellen weisen denn auch auf mindestens zwei zusätzliche, bisher nicht weiter beschriebenen Varietäten hin: einerseits auf eine mögliche Zwischenvarietät auf der Dialekt-Standard-Achse, andererseits auf die Verwendung von Schweizerdeutsch als Varietät für den Umgang mit Ortsfremden. Die Beschreibung dieser Varietäten und des Varietätenspektrums als Ganzem stellt daher ein Forschungsdesiderat dar.

Ziel des Projektes ist es, die Frage zu beantworten, wie sich der Kontakt der ursprünglich bairischen Samnauner:innen mit alemannischen Deutschschweizer:innen auf die sprachlichen Verhältnisse der abgelegenen Berggemeinde mit rund 700 Einwohner:innen auswirkt. Zu diesem Zweck habe ich mittels erprobter moderner variationslinguistischer Methoden - leitfadengesteuerte soziodemografische und linguistische Interviews, Übersetzungsaufgaben, Sprachproduktionstests, gelenkte Freundesgespräche - aktuelle Sprachdaten bei autochthonen Sprecher:innen (n= 16) zweier Altersgruppen in Samnaun erhoben, um die verschiedenen Varietäten zu evozieren und mögliche Sprachwandelphänomene in apparent time feststellen zu können. Zusätzlich kann dank der Erhebung attitudinal-perzeptiver Daten mittels Interviews und Freundesgespräche (wie bspw. Ortsloyalität und -verbundenheit) der Zusammenhang von objektiven Sprachdaten und subjektiven Daten untersucht werden. Das Projekt stellt eine linguistische Tiefenbohrung an einem äussert interessanten Ort des Varietäten- und Sprachkontakts dar.


Abgeschlossene Forschungsprojekte

  • Dialekt und Standarddeutsch in Deutschschweizer Kirchen. Untersuchung zu Sprachgebrauch und Spracheinstellungen von Pfarrpersonen (Dissertation, veröffentlicht 2018)

Im Zentrum der Untersuchung standen der Sprachgebrauch und die Spracheinstellungen von Pfarrpersonen der beiden grossen Landeskirchen der Deutschschweiz (evangelisch-reformiert und römisch-katholisch). Dabei ging es einerseits um die Frage, wie sich der konkrete Gebrauch der beiden in der Deutschschweiz verfügbaren Varietäten des Deutschen - von Dialekt und (Schweizer) Standarddeutsch - in der Kirche, einem Kontext für situationsinduzierten Standardgebrauch, präsentiert. Andererseits lag der Fokus auf den Einstellungen dieser Gruppe von Berufssprecher:innen zu den beiden Varietäten - und damit angesichts der jüngsten öffentlichen Diskussionen um den Stellenwert von Dialekt und Standarddeutsch in der Deutschschweiz auf einem äusserst aktuellen Thema.

Mittels eines Methodenmixes (Tonaufnahmen von Gottesdiensten, leitfadengesteuerte Tiefeninterviews, Onlinefragebogenerhebung) habe ich Sprachgebrauchs- und Spracheinstellungsdaten erhoben. Im Zentrum der Analyse der objektiven Daten standen Codeswitching-Phänomene und deren Funktionalität sowie verschiedene Varietätenmuster in reformierten und katholischen Gottesdiensten. Der Schwerpunkt der Untersuchung der subjektiven Daten lag auf den Einstellungen zu Dialekt und Standarddeutsch, dem Verhältnis und der Rolle der beiden Sprachformen in verschiedenen Kontexten sowie auf dem intendierten Sprachformengebrauch der befragten Pfarrpersonen in verschiedenen Situationen ihres Berufsalltags.

Die Analyse der Sprachgebrauchsdaten zeigte, dass die Pfarrpersonen die Varietäten - und die Varietätenwechsel - bewusst funktional einsetzen und Code-Switchings als Mittel zur sprachlichen Gestaltung ihrer Gottesdienste nutzen. Die Varietäten und das bewusste Spielen mit diesen werden gezielt als kommunikative Ressource gebraucht. In Bezug auf die Spracheinstellungen lässt sich feststellen, dass die Pfarrpersonen sich als Teil der Deutschschweizer Ingroup positionieren: Sie kennen die gängigen Sprachformenstereotype (und nennen sie auch teilweise), die Stereotype werden aber durch differenzierte Einstellungsäusserungen stark relativiert. Es zeigte sich, dass die Annahme verschiedener mentaler Hochdeutschmodelle (nach Christen et al. 2010) ein lohnenswerter Ansatz ist, der hilft, scheinbar stark widersprüchliche intrapersonelle Einstellungen zu erklären. Die bezüglich Ausbildung sehr homogene Gruppe von Gewährspersonen weist verschiedene Einstellungsmuster zu den beiden Varietäten auf, wobei der Miteinbezug der jeweiligen Sprachbiographie eine zentrale Rolle spielt.

Letztlich zeigt ein Vergleich der objektiven und subjektiven Daten, dass Pfarrpersonen eine äusserst sprachbewusste Sprechergruppe sind, da deren tatsächlicher und intendierter Sprachgebrauch weitgehend übereinstimmt.


Schwerpunkte

  • Variationslinguistik
  • Soziolinguistik
  • Dialektologie
  • Sprachkontakt
  • Diglossie
  • Spracheinstellungen
  • Plurizentrizität
  • Sprachgeschichte
  • Mehrsprachigkeit
  • Mehrsprachigkeitsdidaktik


Weiterführende Informationen