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Ein grosses DFG-Forschungsprojekt* in Freiburg i.Br. beschäftigt sich seit 2012 mit Helden und Heldinnnen. @sfb948 "Helden - Heroisierungen - Heroismen".
Seit Februar 2021 ist nun der skandinavistische Forscher Sotirios Mouzakis bei uns am Deutschen Seminar tätig. Wir heissen ihn willkommen!
In seinem ersten Buch befasst er sich mit festlandskandinavischer Jugendliteratur der Gegenwart. Dabei geht er der Frage nach, an welchen Reibungspunkten in den postheroischen Gesellschaften Skandinaviens Heroismus diskursiv verhandelt wird. Heroische Figuren treten nämlich besonders auffällig an den Rändern der Gesellschaft auf und zwar als eine Unterkategorie und Spielart des Helden, als Underdog. Sie erscheinen dort, so seine These, als das Ergebnis sich überschneidender Schnittmengen, die Probleme und Unzulänglichkeiten der auf Egalität und Fürsorge bedachten Wohlfahrtssysteme sichtbar werden lassen.
In einer interessanten Einleitung für eine medienpädagogische Zeitschrift haben er und Joachim Grage über die heutigen Held:innen nachgedacht.
Wie gehen junge Menschen heute mit Held:innen um? Wie weit ist der Weg dorthin, selbst einmal ein:e Held:in zu sein? Wer wünscht sich das heute?
"Die Sehnsucht nach Heldenfiguren ist groß in unserer leistungsorientierten
„postheroischen“ Gesellschaft. Die Heldinnen und Helden heute haben ähnliche Merkmale wie Stars und Idole in den popkulturellen Medien." In den letzten Jahrzehnten sind die Heldenfiguren alltäglicher geworden, vom Marvel-Film hin zu den Casting Shows. "Das Publikum nimmt den Platz der Verehrergemeinschaft ein, die die Heldenfigur zu dem macht, was sie ist. Es hat die Macht, einer Person zum Aufstieg zu verhelfen, kann sie aber genauso wieder von ihrem Thron stürzen, wenn ihre Wirkungsmacht verblasst oder nicht mehr interessant genug ist."
Heute koexistieren Held:innen traditioneller Art wie Malala Yousafzai, die unter Lebensgefahr auf die Ungleichbehandlung von Mädchen in Pakistan hingewiesen hat, neben neu erschaffenen Idolen wie Influencer:innen. Die beiden Forscher sehen eine Erklärung des Phänomens darin, dass egalitäre Gesellschaften sich nicht auf ein Ziel hin weiterentwickeln. Ganz eindeutig ist: Unsere Gesellschaft heute will nicht auf Held:innen verzichten, wohl aber auf die traditionellen Kontexte, wie etwa Krieg, die sie einst hervorbrachten!
War früher eine Heldentat nötig - meist Männer kämpften gegen jemanden oder etwas -, so wurde dies im späten 20. und im frühen 21. Jahrhundert durch eine "besondere Leistung" ersetzt: jemand setzt sich für jemanden oder etwas ein, gewinnt im Sport oder in der Unterhaltungskultur.
"Die inflationäre Verwendung des Helden-Begriffs in der Alltagskultur deutet darauf hin, dass Heroismus im 21. Jahrhundert nicht unbedingt eine Reaktion und noch weniger eine Antwort auf latente Probleme ist, dass aber gleichwohl ein Grundbedürfnis nach exzeptionellen Figuren, die moralische Orientierung bieten, nach wie vor vorhanden ist."
Wenn Sie den ganzen Artikel lesen wollen:
Joachim Grage und Sotirios Mouzakis: "Jeder darf mal Held sein. Die Populärkultur der Gegenwart als Heldenmaschine." In. MedienConcret, Magazin für die pädagogische Praxis, Themenheft Heldinnen und Helden (2018), S. 6-9.
* DFG steht für Deutsche Forschungsgemeinschaft. Deren Sonderforschungsbereiche (sfb) sind wie die Schweizer Nationalen Forschungsschwerpunkte grosse interdisziplinäre Projekte, die über mehrerer Jahre laufen.