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Prof. Dr. Martin Bircher †


 

Prof. Dr. Martin Bircher, Titularprofessor für Deutsche Literaturwissenschaft von 1982-2004, ist am 9. Juli 2006 im 69. Alterjahr verstorben.
Martin Bircher wurde 1968 an der Universität Zürich mit einer Arbeit über den Übersetzer und Dichter Johann Wilhelm von Stubenberg (1619-1663) promo­viert, und er hat sich 1971 hier mit einer Dokumentation zur frühen Shakespeare-Rezeption in der Schweiz habilitiert. 1968 bis 1980 war er Dozent an der McGill University in Montreal.
Martin Bircher hat sich vor allem um die Erforschung der deutschen Barockliteratur in einem weiten kulturgeschichtlichen Horizont ver­dient gemacht; dabei traten die Fachliteratur, das Gelegenheits­schrifttum, die Oper, die Emblema­tik, die Erbauungsliteratur ins Blick­feld der sich neu belebenden Ba­rockforschung. Aber nicht nur dem 17. Jahrhundert galt Birchers Inter­esse; er hat auch die Schriften von Salomon Gessner (1730-1788) und die Gedichte des Malers Johann Heinrich Füssli (1741-1825) neu herausgegeben.
Über zwanzig Jahre lang wirkte er an der Arbeitsstelle zur Erfor­schung des 17. Jahrhunderts im Rah­men des Forschungsprogramms der Herzog-August-Bibliothek in Wol­fenbüttel; als Spiritus Rector wie auch tätig seine Pläne umsetzend. Seit 1977 erschien die monumentale Bibliographie «Deutsche Drucke des Barock 1600-1720 in der Herzog-August-Bibliothek», die 46 Bände umfasst. Ganz pragmatisch hatte Bircher sich dazu entschieden, die mehreren hunderttausend Titel der Bibliothek entlang der alten Aufstellungsordnung nach Sachgruppen mit einer mo­dernen Titelaufnahme in Kurzform und beigegebenem Faksimile der Titelseite zu erschliessen. Als Redaktor
der «Wolfenbütteler Barock­-Nachrichten», die stets über die neuesten Funde und Forschun­gen informierten, wirkte er 1978 bis 1996.
Ein Schwerpunkt seiner wissen­schaftlichen Tätigkeit war sodann die Erforschung des Kommuni­kationsnetzes der gegen 900 Mit­glieder der «Fruchtbringenden Ge­sellschaft», der ältesten Akademie Deutschlands, die 1617-1680 bestand und sich der Aufgabe widmete, die deutsche Sprache «in ihre uralte gewöhnliche und angeborne teut­sche Reinigkeit und Zierde» zurück­zuführen, und allgemein eine Wiederherstellung eines die Stände übergreifenden, tugendhaften ge­sellschaftlichen Lebens anstrebte. Bircher regte die Erschliessung der Selbstdarstellung der Akademie in Korrespondenzen, Satzungen, Actus und Akademiearbeiten an. Während dreissig Jahren sammelte er mit Spürsinn Bücher, Porträts, Kupfer­stiche, Handschriften, Einblattdru­cke, Landkarten der Fruchtbringenden Gesellschaft. Diese private Sammlung von 1331 Dokumenten beschrieb er in einem ausführlichen, reich bebilderten Katalog («Im Gar­ten der Palme», erschienen 1998); 1995 erwarb die University of Cali­fornia die Sammlung, die heute un­geteilt in deren Bancroft Library in Berkeley den Forschern zur Verfü­gung steht. 1996 bis zu seiner Pen­sionierung Anfang 2004 war Martin Bircher sodann Direktor der «Biblio­theca Bodmeriana» in Cologny; während seiner Direktion ist dort der Erweiterungsbau von Mario Botta entstanden.
Mit Ausstellungen hat er die Literatur der vergangenen Jahrhun­derte einem breiteren Publikum vor Augen geführt und in den sie be­gleitenden Katalogen kommentiert. Zwei Beispiele hierfür: Die Aus­stellung der Fondation Bodmer «Spiegel der Welt», die bedeutende Handschriften und Bücher aus drei Jahrtausenden präsentierte, wurde 2000/2001 in mehreren Städten ge­zeigt. Kleinodien seiner eigenen Sammlung zur Wirksamkeit der fruchtbringenden Gesellschaft wa­ren 1992/93 in Wolfenbüttel, Müns­ter/W. und Zürich zu sehen.
Martin Bircher war ein universal gebildeter Gelehrter, ein Anreger, ein Bücherfreund und leidenschaft­licher Sammler. Es ging ihm darum, die Texte in ihrer Materialität be­reitzustellen, indem er sie als Faksi­mile edierte, in Ausstellungen ver­anschaulichte und indem er sie für die Forschenden in Form der Biblio­graphie raisonnée erschloss. Darin ist er Georg Philipp Harsdörffer ver­wandt (eine zentrale Gestalt der fruchtbringenden Gesellschaft), der sein Werk ebenfalls vor allem im Erschliessen und Bereitstellen für andere sah.
Paul Michel

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