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Die Virtualisierung des weiblichen Körpers - die Rekonstruktion der Frau in einer immateriellen Sphäre einerseits, die Auflösung der Frau in ihrer Körperlichkeit andererseits - gehört zu den konstitutiven Markern der soziotechnologischen wie kulturellen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts. Auffällig häufig etwa sind virtuelle Sprachassistentinnen mit einer weiblichen Stimme ausgestattet. Auf der einen Seite machen weiblich konnotierte Softwaresysteme wie "Alexa" oder "Siri" abstrakte, technische Prozesse verständlicher, auf der anderen Seite verfestigen sie (Ideal-)Vorstellungen des Weiblichen, welche sich u.a. durch bedürfnislose Bedienung auszeichnen. Die fortschreitende Technologisierung und Digitalisierung, so stellte die Soziologin Judy Wajcman fest, nimmt aber nicht nur Einfluss auf Geschlechter- und Machtverhältnisse. Vielmehr besteht eine Reziprozität von Technologie und Geschlecht, wobei erstere zugleich als Ursache wie als Konsequenz von Geschlechterbeziehungen verstanden werden muss.1
Obschon die Virtualisierung in den letzten Jahren auf zunehmend wachsendes Interesse in der Forschung gestossen ist und der virtuelle weibliche Körper als ideelles Konstrukt zwischen physischer Unverfügbarkeit und totaler virtueller Verfügbarkeit zum symbolischen Austragungsort sozio-technologischer Debatten avancierte, ergeben sich über und am virtuellen weiblichen Körper weiterhin Fragen, die bisher noch nicht beantwortet wurden. Es scheint, als bliebe die flackernde Gestalt als Figur wie als wissenschaftlicher Gegenstand auf sonderbare Weise "abwesend anwesend". Dabei verhaftet dessen Imaginationsgeschichte bei Weitem nicht nur auf dem Feld digitaler Medientechnik. Begleitet und vorangetrieben wird sie stets durch die literarische Fiktion, die ihrerseits in der sich in Code auflösenden / im Code entstehenden Frau eine Reflexionsfigur ihrer medialen wie geschlechtlichen Bedingtheit ausmacht. In der Auseinandersetzung mit ausgewählten Texten soll untersucht werden, inwiefern die Literatur um die Jahrtausendwende sukzessive die Konzepte von Virtualität und Weiblichkeit einander durchlässig werden lässt und zugleich auf ganz eigene Weise mit den Denktraditionen der Cyberkultur, des Posthumanismus und der Psychoanalyse interagiert. Die literarische Transformation und Abwanderung des weiblichen Körpers in den Bereich des Virtuellen wird dabei auf genealogischer, performativer und paradigmatischer Ebene gattungsübergreifend zu ergründen sein. Die Bedeutung und Funktion der Stimme, jene scheinbar leibliche Spur, über die sich physische Entkörperung und virtuelle Verkörperung auf exemplarische Weise manifestiert, fungiert somit als Schlüsselpunkt virtueller Re-Präsentation und wird zu einer führenden Fragestellung.